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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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um das Bild der BeimLesen-Eingeschlafenen glaubwürdiger zu machen, aber auch, um etwaige andere Geräusche in der Wohnung besser hören zu können.
    Es war im Schlafzimmer noch keine Minute still, und sie war eben im Begriff, das Buch wieder zur Hand zu nehmen, als das Telefon klingelte. In der Annahme, dass es Martie sei, nahm Susan den Hörer ab. »Hallo?«
    »Hier spricht Ben Marco.«
    Als wäre Ben Marco ein Baumeister, der über Zauberkräfte verfügte und allein kraft seiner Stimme über Stein und Mörtel befehlen konnte, wuchsen um Susans Herz plötzlich Granitmauern, schlossen es ein, drängten seine Kammern zusammen. Und während ihr Herz wie rasend gegen seine Gefängnismauern hämmerte, öffnete sich ihr Geist wie ein Haus, dessen Dach von einem Wirbelsturm davongerissen wurde; ihre Gedanken verflüchtigten sich wie Staub, wie ein hauchzartes Spinnengewebe, und aus der schwarzen Unendlichkeit senkte sich flüsternd ein dunkles Etwas herunter und schlich sich in ihren Kopf, glitt unaufhaltsam, unsichtbar und kalt wie ein Gespenst zuerst durch den Vorhof ihres Bewusstseins und dann weiter hinunter in immer tiefere Gefilde.
    »Ich höre«, sagte Susan zu Ben Marco.
    Im selben Augenblick hörte ihr Herz auf zu rasen, und das insektengleiche Kribbeln der Angst in den Adern legte sich.
    Und jetzt die Regeln.
    »Der Wintersturmwind …«, sagte er.
    »Der Sturmwind bist du«, antwortete sie.
    »… verbarg sich im Bambushain …«
    »Der Hain bin ich.«
    »… und dann war es still.«
    »In der Stille werde ich erfahren, was getan werden muss«, sagte Susan.
    Wunderschön. Kaum war die Litanei der Regeln intoniert, versank Susan in einem Meer der Ruhe: tiefe Stille um sie herum, absolutes Schweigen in ihrem Innern, so vollkommen lautlos wie das unbelebte Nichts in der Sekunde vor der Schöpfung, als Gott noch nicht gesagt hatte: Es werde Licht.
    Als der Wintersturmwind wieder sprach, schien seine leise, tiefe Stimme nicht aus dem Hörer zu dringen, sondern aus ihrem eigenen Innern. »Sag mir, wo du bist.«
    »Im Bett.«
    »Ich nehme an, du bist allein. Sag mir, ob ich Recht habe.«
    »Du hast Recht.«
    »Lass mich ein!«
    »Ja.«
    »Jetzt sofort.«
    Susan legte den Hörer auf, sprang aus dem Bett und eilte durch die dunkle Wohnung.
    Der Wintersturmwind verbarg sich im Bambushain und dann war es still.
    Trotz ihrer Hast wurde ihr Herzschlag immer langsamer: kräftig, regelmäßig, ruhig.
    Die einzige Lichtquelle in der Küche waren die grünlich fahl schimmernden Digitalanzeigen der Uhren an Mikrowelle und Herd. Die tiefdunklen Schatten beeinträchtigten ihre Orientierung nicht. Zu viele lange Monate war diese kleine Wohnung nun schon ihre Welt; sie kannte jeden Winkel so genau, als wäre sie hier blind geboren und aufgewachsen.
    Ein Stuhl war unter dem Türknauf verkeilt. Als sie ihn herauszog und zur Seite schob, schürften seine Holzfüße leise quietschend über den gekachelten Fußboden.
    Der Haken am Ende der Kette glitt mit einem metallischen Klirren aus dem Schlitz im Messingbeschlag. Als sie losließ, schlugen die Kettenglieder rasselnd gegen den Türrahmen.
    Sie entriegelte das erste Sicherheitsschloss. Das zweite.
    Sie öffnete die Tür.
    Ein Sturmwind war er, und ein winterlicher dazu, wie er dort auf dem Treppenabsatz wartete, ruhig in diesem Moment, aber erfüllt von der Wut eines Orkans, einer Wut, die unaufhörlich in ihm loderte, die er gewöhnlich sorgsam vor der Welt verbarg, die er nur in den intimsten Momenten offenbarte, und als er jetzt über ihre Küchenschwelle trat, packte er sie mit einer Hand am schlanken Hals, drängte sie zurück und stieß die Tür mit dem Fuß hinter sich zu.

30. Kapitel
    Die linke und die rechte Arterie, die den Hals und das Gehirn mit Blut versorgen, entspringen aus der Aorta, die ihrerseits von der oberen Wand der linken Herzkammer ausgeht. Unmittelbar aus dem Herzen kommend, ist das Blut, das durch diese beiden Gefäße fließt, sehr sauerstoffreich und wird mit hohem Druck durch die Adern gepumpt.
    Die Hand um Susans Kehle geschlossen, die Finger an der linken Halsseite gespreizt, die Daumenkuppe unterhalb des Kieferknochens auf die rechte Arterie gepresst, verharrte Dr. Mark Ahriman etwa eine Minute und erfreute sich an dem kräftigen, gleichmäßigen Pulsschlag. Sie war so herrlich lebendig.
    Hätte er sie erwürgen wollen, so hätte er dies tun können, ohne den geringsten Widerstand von ihr befürchten zu müssen. In diesem veränderten

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