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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Bewusstseinszustand hätte sie ergeben und ohne Protest stillgestanden, während er das Leben aus ihr herauspresste. Sie wäre in die Knie gegangen, sobald ihr die Kräfte schwanden, dann wäre sie, wenn ihre Herzschläge aussetzten, anmutig zu Boden gesunken und hätte ihn mit ihren Blicken um Verzeihung gebeten, dass sie außerstande sei, im Stehen zu sterben, und ihn somit zwang, sich zu ihr auf den Boden zu knien, um sein Werk zu vollenden.
    Im Sterben noch würde Susan Jagger bereitwillig jede Haltung einnehmen, die Dr. Ahriman von ihr forderte. Kindliche Bewunderung. Sinnliche Ekstase. Hilflose Wut oder auch sanfte Ergebenheit mit einem Anflug von Staunen in den glasigen Augen – alles, wenn er nur seinen Spaß daran hatte.
    Er hatte nicht die Absicht, sie zu töten. Nicht hier, nicht jetzt – wenn auch in absehbarer Zeit.
    Sobald der unausweichliche Zeitpunkt gekommen war, würde er Susan allerdings nicht mit eigener Hand das Leben nehmen, denn er hatte großen Respekt vor der modernen Kriminalistik mit ihren wissenschaftlichen Methoden, die inzwischen für jeden Polizeibeamten Amerikas buchstäblich eine Selbstverständlichkeit waren.
    Für die schmutzige Arbeit hatte er seine Handlanger, die den Todesstoß ausführten, sodass auf ihn selbst nie ein Verdacht fiel.
    Abgesehen davon bestand für ihn das höchste Glück nicht im Morden und Verstümmeln selbst, sondern in der geschickten Manipulation. Auf den Abzug drücken, mit dem Messer zustoßen, die Würgeschlinge zuziehen – nichts davon konnte ihn so erregen wie der Moment, in dem er einen anderen durch die Kraft seines Willens zwang, diese Gräueltaten stellvertretend für ihn zu verüben.
    Macht ist berauschender als Gewalt.
    Genauer gesagt, lag sein größter Genuss nicht in dem, was er durch die Ausübung seiner Macht bewirkte, sondern im Prozess des Machtausübens selbst. Manipulation. Kontrolle. Der Akt der Machtausübung, das Fädenziehen und Zusehen, wie die Menschen nach seiner Pfeife tanzten, war dermaßen befriedigend für Dr. Ahriman, dass in den schönsten Momenten seines Marionettenspiels Wellen des Glücks in ihm aufwallten wie der mächtige Widerhall, der die Türme eines Doms unter den Schlägen seiner massiven Bronzeglocken erbeben lässt.
    Er spürte Susans Kehle in seiner Hand, und das erinnerte ihn an einen lange zurückliegenden Zeitpunkt der Euphorie, als ein anderer schlanker, anmutiger Hals von einem Speer durchbohrt worden war, und bei dieser Erinnerung ebbte in den knöchernen Glocken seines Rückgrats ein dröhnendes Geläut auf.
    In Scottsdale, Arizona, steht eine palladianische Villa, in der eine gertenschlanke reiche Erbin namens Minette Luckland ihrer Mutter mit einem Hammer den Schädel einschlägt und kurz darauf ihrem Vater eine Kugel in den Rücken jagt, während er sich im Fernsehen die Wiederholung einer Folge von Seinfeld ansieht und dabei ein Stück Sandkuchen isst. Danach springt sie von der Galerie im ersten Stock, stürzt sechs Meter in die Tiefe und spießt sich mit dem Speer einer Statue von Diana, Göttin des Mondes und der Jagd, auf, die auf einem kannelierten Säulensockel in der Mitte der Eingangsrotunde steht. Im Abschiedsbrief, unverkennbar in Minettes ordentlicher Schrift abgefasst, steht, dass sie seit ihrer Kindheit von beiden Eltern sexuell missbraucht wurde – eine ungeheuerliche Verleumdung, die Dr. Ahriman ihr eingeflüstert hat. Um Dianas Bronzefüße herum: Blutspritzer wie rote Mohnblumenblätter auf weißem Marmor.
    Wie Susan jetzt halb nackt in der Küche stand, mit ihren grünen Augen, in denen sich ein schwacher grünlicher Widerschein der Digitaluhr am nahen Herd spiegelte, war sie noch anziehender als die dahingeschiedene Minette. Aber obwohl ihr Gesicht und ihr Körper Gegenstand der Träume hätte sein können, in denen ein Erotomane sich des Nachts in seinem Schweiß wälzte, brachte weniger ihr Aussehen Dr. Ahrimans Blut in Wallungen als das Wissen, dass in ihren biegsamen Gliedern und ihrem geschmeidigen Körper dasselbe tödliche Potenzial wohnte, das er in Scottsdale vor so vielen Jahren entfesselt hatte.
    Die rechte Halsschlagader pulsierte unter dem Daumen des Arztes, langsam und träge. Sechsundfünfzig Schläge in der Minute.
    Sie hatte keine Angst. Geduldig wartete sie darauf, benutzt zu werden, als wäre sie ein seelenloses Werkzeug – oder, präziser ausgedrückt, ein Spielzeug.
    Indem er den Schlüsselnamen Ben Marco ausgesprochen und das entscheidende Haiku rezitiert

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