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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Martie dieses häusliche Bild wie eine surreale Szene, als würde sie durch eine endlose, brennende Schwefelwüste irren und plötzlich mitten in der Hölle vor einer Tortenbäckerei stehen.
    Als Dusty das Abendessen auf den Tisch stellte, schoss Martie plötzlich die Frage durch den Kopf, ob sie die Lasagne nicht möglicherweise im Zustand geistiger Umnachtung vergiftet hatte.
    Sie konnte sich nicht daran erinnern, etwas so Hinterhältiges getan zu haben. Aber sie fürchtete immer noch, unter Ausfallerscheinungen zu leiden: Zeitspannen, in denen sie scheinbar bei klarem Bewusstsein war, von denen aber nichts in ihrem Gedächtnis haften blieb.
    Weil sie sich sicher war, dass Dusty die Lasagne essen würde, nur um ihr zu beweisen, wie groß sein Vertrauen in sie war, biss sie sich auf die Zunge und sagte nichts. Und um sich nicht der bedrückenden Vorstellung hingeben zu müssen, sie könnte das Abendessen als Einzige von beiden überleben, überwand sie ihre Appetitlosigkeit und aß ihren Teller bis auf einen kleinen Rest leer.
    Allerdings lehnte sie die Gabel ab und aß stattdessen mit einem Löffel.
    *
    In Susan Jaggers Schlafzimmer befand sich in einer der Ecken ein Biedermeier-Blumenständer. Darauf stand eine Bronzeschale mit einem Bonsai-Bäumchen, das zwar hinter den stets geschlossenen Vorhängen kein Tageslicht bekam, aber dennoch prächtig gedieh, da es von einem Pflanzenstrahler angeleuchtet wurde.
    Die Erde um den Stamm des Bäumchens war von einer üppigen Efeupflanze mit kleinen sternförmigen Blättern bedeckt, deren Zweige über den geschwungenen Rand der Bronzeschale herunterhingen. Susan schätzte den günstigsten Aufnahmewinkel zum Bett ab, dann stellte sie den Camcorder in die Schale und arrangierte die Efeuzweige so darüber, dass er nicht mehr zu sehen war.
    Sie schaltete den Pflanzenstrahler aus, ließ aber eine Nachttischlampe brennen. Es durfte hier im Raum nicht völlig dunkel sein, wenn sie irgendetwas Brauchbares auf das Band bannen wollte.
    Um die eingeschaltete Lampe plausibel zu machen, würde sie so tun, als wäre sie beim Lesen eingeschlafen. Ein halb geleertes Glas Wein auf dem Nachttisch und ein genau an der richtigen Stelle im Bett drapiertes Buch mochten genügen, um diesen Eindruck zu erwecken.
    Sie umkreiste den Blumenständer in einiger Entfernung und betrachtete die Bronzeschale prüfend von allen Seiten. Die Kamera war gut versteckt.
    Aus einem ganz bestimmten Winkel leuchtete in der dunklen Linse ein bernsteingelber Widerschein der Lampe wie das Auge eines Tiers auf, als würde eine einäugige Echse zwischen den Efeuzweigen hervorlugen. Der verräterische Lichtpunkt war aber so winzig, dass er einem Besucher, ob Inkubus oder gewöhnlicher Sterblicher, nicht auffallen würde.
    Susan ging zum Blumenständer zurück, tastete kurz mit dem Zeigefinger zwischen den Efeuzweigen und drückte auf einen Knopf.
    Sie wich zwei Schritte zurück. Verharrte reglos. Hielt mit seitlich geneigtem Kopf den Atem an. Lauschte.
    Obwohl die Heizung abgestellt war und das Gebläse nicht rauschte, obwohl kein Windhauch um die Regentraufen strich oder vor den Fenstern säuselte, obwohl im Schlafzimmer eine Stille herrschte, von der man in diesem Zeitalter allgegenwärtiger Technikgeräusche nur träumen konnte, war nicht das leiseste Summen des Kameramotors zu hören. Das Gerät hielt, was die Broschüre des Herstellers versprach: Der Betrieb war flüsterleise. Das kaum hörbare Schnarren der rotierenden Bandspule wurde vom dichten Blattwerk des Efeus vollends geschluckt.
    In dem Bewusstsein, dass es bauliche Umstände gab, unter denen Geräusche übertragen und an völlig unerwarteter Stelle verstärkt wurden, wanderte sie durch den Raum. Fünf Mal blieb sie stehen und lauschte angestrengt, konnte aber nichts Verdächtiges hören.
    Zufrieden ging Susan zum Blumenständer zurück, nahm die Videokamera aus ihrem Versteck und prüfte die Aufnahme auf dem integrierten Monitor.
    Das Bett war vollständig im Bild. Am äußersten linken Bildrand war noch die Zimmertür zu sehen.
    Susan tauchte in der Aufnahme auf und verschwand wieder. Tauchte wieder auf und blieb stehen, um auf das leise Surren des Motors zu lauschen.
    Sie war erstaunt, wie jung und attraktiv sie aussah.
    In letzter Zeit nahm sie sich nicht mehr so richtig wahr, wenn sie in den Spiegel schaute. Er zeigte ihr nicht das Abbild ihrer äußeren Erscheinung, sondern das ihrer inneren Verfassung: eine Susan Jagger, durch chronische

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