Stimmen der Angst
programmiert, dort einem einzigen Gott zu huldigen, und dieser eine und alleinige Gott war Mark Ahriman höchstpersönlich. Er war ein strenger, archaischer Gott, der bedingungslose Unterwerfung forderte, nicht den leisesten Ungehorsam duldete und Vergehen erbarmungslos bestrafte.
Danach hatte er sie nie wieder unter Drogen gesetzt. Es war nicht mehr nötig. In den drei Sitzungen hatte er die Kontrollmechanismen installiert – den Namen Ben Marco und das Haiku –, die ihr Ego auf der Stelle ausschalteten und sie in dieselben tiefen Gefilde ihrer Psyche eintauchen ließen wie zuvor die Drogen.
In der letzten jener drei Sitzungen hatte er ihr auch die Agoraphobie eingepflanzt. Er fand es eine interessante Krankheit, die ihrem allmählichen Verfall und dem unvermeidlichen Zusammenbruch eine herrlich dramatische Note und eine Menge lustiger Begleiterscheinungen hinzufügen würde. Schließlich ging es um nichts anderes als um seine Unterhaltung.
Die Hand immer noch an Susans Kehle, sagte er jetzt: »Ich glaube, diesmal werde ich nicht ich selbst sein. Irgendetwas Perverses heute. Weißt du, wer ich bin, Susan?«
»Wer bist du?«
»Ich bin dein Vater«, sagte Ahriman.
Sie schwieg.
»Sag mir, wer ich bin«, befahl er.
»Du bist mein Vater.«
»Sag Daddy zu mir«, instruierte er sie.
Ihre Stimme war immer noch teilnahmslos und ohne emotionale Regung, weil er ihr noch nicht eingegeben hatte, welche Gefühle sie angesichts dieses Szenarios haben sollte. »Ja, Daddy.«
Der Puls, den er unter seinem rechten Daumen spürte, beschleunigte sich nicht.
»Sag mir, welche Haarfarbe ich habe, Susan.«
Obwohl es in der Küche so dunkel war, dass sie seine Haarfarbe nicht erkennen konnte, sagte sie: »Blond.«
Ahriman hatte graumeliertes Haar, Susans Vater dagegen war tatsächlich blond.
»Sag mir, welche Farbe meine Augen haben.«
»Grün wie meine.«
Ahrimans Augen waren haselnussbraun.
Ohne die Hand von ihrer Kehle zu nehmen, beugte sich der Arzt zu ihr hinunter und gab ihr einen fast scheuen Kuss.
Ihre Lippen waren halb geöffnet. Sie erwiderte den Kuss nicht; vielmehr verhielt sie sich so teilnahmslos, als wäre sie scheintot oder tief in einem Koma versunken.
Er biss sie spielerisch in die Lippen, dann drang er mit der Zunge in ihren Mund ein und küsste sie so, wie kein Vater seine Tochter je küssen sollte, und obwohl ihre Lippen schlaff blieben und ihr Puls sich nicht beschleunigte, spürte er, wie ihr der Atem in der Kehle stockte.
»Was empfindest du hierbei, Susan?«
»Was soll ich empfinden?«
Während er ihr mit einer Hand über das Haar strich, sagte er: »Tiefe Scham, Demütigung. Entsetzlichen Kummer … und Abwehr dagegen, vom eigenen Vater so benutzt zu werden. Du fühlst dich schmutzig, erniedrigt. Bist aber doch gehorsam, bereit zu tun, was dir gesagt wird … weil es dich gegen deinen Willen auch erregt. Du spürst ein unnatürliches, gieriges Verlangen, das du gern leugnen würdest, gegen das du dich aber nicht wehren kannst.«
Abermals küsste er sie, und diesmal versuchte sie, den Kuss abzuwehren; doch dann gab sie nach, und ihre Lippen wurden weich, öffneten sich. Sie stemmte die Hände gegen seine Brust, um ihn von sich zu stoßen, aber ihre Gegenwehr war schwach, kindlich.
Der Puls unter seinem Daumen raste wie der eines Hasen, dem die Meute dicht auf den Fersen ist.
»Daddy, nicht.«
Der grünliche Widerschein in Susans Augen hatte sich mit einem wässrigen Glitzern überzogen.
Diese schimmernde Tiefe verströmte einen zarten Wohlgeruch, leicht bitter, salzig, und der vertraute Duft bewirkte, dass in dem Arzt eine wilde Lust aufwallte.
Er ließ die rechte Hand von ihrer Kehle zur Taille hinuntergleiten und presste sie an sich.
»Bitte«, flüsterte sie, und es gelang ihr, in dieses eine Wort Protest und eine wankelmütige Aufforderung zugleich zu legen.
Ahriman atmete tief durch, dann streifte er mit den Lippen ihr Gesicht. Die Verlässlichkeit seines Raubtierinstinkts wurde bestätigt: Ihre Wangen waren feucht und salzig.
»Wunderbar.«
Mit schnellen, flüchtigen Küssen befeuchtete er sich an ihren Tränen die Lippen und kostete dann mit der Zungenspitze den Geschmack, der auf ihnen lag.
Mit beiden Händen hob er sie jetzt an der Taille hoch und trug sie ein Stück weit, bis er sie mit dem Körper an den Kühlschrank presste.
»Bitte«, wiederholte sie, und noch einmal: »Bitte«, das brave Kind, so hin und her gerissen, dass sich die Lust und die Angst in ihrer Stimme
Weitere Kostenlose Bücher