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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hatte, hatte Ahriman sie in einen veränderten Bewusstseinszustand versetzt. Ein Laie hätte vielleicht von einer hypnotischen Trance gesprochen, was bis zu einem gewissen Grad auch zutreffend war. Ein psychologisch geschulter Mensch hätte eine Absenz diagnostiziert, was der Wahrheit noch näher kam.
    Keiner der beiden Begriffe traf den Nagel aber wirklich auf den Kopf.
    Nachdem Ahriman das Haiku erst einmal rezitiert hatte, war Susans Ego nachhaltiger und radikaler ausgeschaltet als in einer Hypnose. In diesem eigenartigen Zustand war sie nicht mehr Susan Jagger im Sinne einer vernunftbegabten Person, sondern ein Ding, eine menschliche Maschine, deren Denkapparat eine leere Festplatte war, die darauf wartete, von Ahriman nach dessen Gutdünken programmiert zu werden.
    Hätte sie sich im Zustand einer klassischen Absenz befunden, einer schweren Bewusstseinstrübung also, so hätte sie zwar ein paar exzentrische Verhaltensweisen an den Tag gelegt, nicht aber die völlige Passivität, die sie jetzt zeigte.
    »Susan«, sagte Dr. Ahriman, »weißt du, wer ich bin?«
    »Weiß ich das?«, gab sie mit dünner, unbeteiligter Stimme zurück.
    In diesem Zustand war sie nicht imstande, eine offene Frage zu beantworten, sondern wartete, bis er ihr sagte, was er von ihr wollte, was sie tun und wie sie sich dabei fühlen sollte.
    »Bin ich dein Psychiater, Susan?«
    Im Dunkel des Raums konnte er das Erstaunen in ihren Zügen fast sehen. »Bist du das?«
    Bis er sie aus diesem Zustand befreite, würde sie nur auf Befehle reagieren.
    »Sag mir deinen Namen«, befahl er.
    Diese direkte Anweisung machte es ihr möglich, das Wissen, über das sie verfügte, von sich zu geben. »Susan Jagger.«
    »Sag mir, wer ich bin.«
    »Dr. Ahriman.«
    »Bin ich dein Psychiater?«
    »Bist du das?«
    »Nenn mir meinen Beruf.«
    »Du bist Psychiater.«
    Es war kein Leichtes gewesen, diesen Zustand zu erzeugen, der mehr war als eine Trance, aber doch keine richtige Absenz. Es hatte ihm harte Arbeit und große ärztliche Hingabe abverlangt, sie zu diesem willigen Spielzeug umzuformen.
    Vor achtzehn Monaten, noch bevor sie zu ihm in psychiatrische Behandlung kam, hatte er ihr bei drei sorgfältig inszenierten Gelegenheiten ohne ihr Wissen ein wirkungsvolles Drogengebräu verabreicht: Rohypnol, Phencyclidin und Valium, plus eine wunderbare zerebrotropische Substanz, die in keiner Arzneimittelliste verzeichnet war. Die Rezeptur stammte von ihm selbst, und er mischte die Zutaten für das Gebräu höchstpersönlich aus den Vorräten seiner heimlichen, illegalen Apotheke, weil die Zusammensetzung genau stimmen musste, wenn es die gewünschte Wirkung haben sollte.
    Nicht die Drogen an sich hatten Susan in das gegenwärtige Stadium absoluter Willenlosigkeit versetzt, sondern sie war jedesmal, wenn ihr das Gebräu verabreicht worden war, in einen Zustand verfallen, in dem sie ihre Umgebung nur mit halbem Bewusstsein wahrnahm und vollkommen lenkbar war. In diesem Dämmerzustand hatte Ahriman die Gehirnregionen, die das bewusste Denken steuern, umgehen und ohne Widerstände den Teil ihres Unterbewusstseins ansprechen können, in dem reflexive Konditionierungen stattfinden.
    Was er in diesen drei ausgedehnten Sitzungen mit ihr gemacht hatte, wäre in der Sprache der Sensationsreporter und der Verfasser von Spionageromanen wahrscheinlich als Gehirnwäsche bezeichnet worden, aber so neuzeitlich war die Sache nicht. Er hatte das Gebäude ihres Bewusstseins nicht niedergerissen, um es in veränderter Architektur wieder aufzubauen. Ein solches Vorgehen – einstmals sehr beliebt in Ländern wie der Sowjetunion, China und Nordkorea – war viel zu aufwändig und setzte nicht nur voraus, dass man in einer trostlosen Kerkerumgebung ständig Zugang zu dem Opfer hatte, sondern es war auch mit einem wahren Kraftakt an psychischer Folter verbunden, ganz zu schweigen von dem lästigen Schreien und Flehen des Unglücklichen, das man über sich ergehen lassen musste. Dr. Ahriman hatte zwar einen hohen IQ, aber seine Geduldschwelle war niedrig. Abgesehen davon, waren die Erfolge, die man mit den klassischen Methoden der Gehirnwäsche erzielen konnte, nicht gerade überwältigend, nur selten erreichte man eine totale Kontrolle.
    Der Psychiater hatte sich also stattdessen in Susans Unterbewusstsein begeben, in den Keller, wo er eine neue Kammer angelegt hatte – eine geheime Kapelle, wie er es nannte –, deren Existenz ihrem Bewusstsein verborgen blieb. Er hatte sie darauf

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