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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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Maggie, und Kate und sie könnten als Dick und Doof durchgehen.
    »Dr.   Riley glaubt, dass ich vielleicht an einer pathologischen Mathe-Abneigung leide.«
    Kate schüttelte den Kopf, dass ihre Locken wippten. »Du hast in Mathe doch immer nur die besten Noten, so wie in allen anderen Fächern.«
    »Nicht dieses Jahr.« Maggie setzte sich auf und zog den Reißverschluss des Rucksacks auf, der an ihrer Stuhllehne hing. Sie holte zwei Blätter weißes Papier heraus und hielt sie Kate unter die Nase, die einen Blick auf die oben eingekreiste rote Note warf:
78   Punkte   – C
.
    »Oh. Tut mir echt leid. Aber
ein
C wird dich vermutlich nicht gleich umbringen.«
    »In der letzten Klausur hatte ich auch schon ein C«, erwiderte Maggie. »Und weißt du, wofür zwei Cs stehen?«
    »Nein, wofür?«
    »Chaoten-College.«
    »Autsch.« Kate zog einen Oreo-Keks auseinander und kratzte die weiße Füllung mit ihren Zähnen ab. »Wird dein Dad deswegen ausflippen?«
    »Mein Dad sagt immer, er will bloß, dass ich glücklich bin   – aber so was sagt sich natürlich leicht, wenn deine Tochter immer mit einem A nach Hause kommt.«
    »Glaubst du, dass du die Klausur verhauen hast, weil du nicht schlafen kannst?«
    Maggie zuckte die Achseln. »In meinen anderen Fächern läuft alles bestens. Nur in Mathe kann ich mich nicht konzentrieren, weil diese Mrs Murdock so seltsam ist. Ich glaube, manchmal beobachtet sie mich sogar, wenn ich eine Klausur schreibe. Also sehe ich dauernd zu ihr hin und versuche, sie dabei zu ertappen. Aber immer dann ist ihr Blick gesenkt, so als wäre sie mir gerade noch mal ausgewichen.«
    »Das hast du eben davon, wenn du den Geometriekurs für Streber belegst.« Kate öffnete mit einem Drehen einen weiteren Oreo-Keks. »Wärst du Durchschnitt so wie wir anderen, könntest du dich für Algebra bei Mr Wheeler eintragen. Er geht mit uns raus zum Kickballspielen und verteilt Süßigkeiten, wann immer man eine Frage richtig beantwortet.«
    »Beim Kickball bin ich noch mieser als in Mathe.« Maggie seufzte. »Egal. Willst du wissen, was das Schlimmste ist? Gestern nach dem Unterricht hat Mrs Murdock mich gebeten, heute nach der Schule noch etwas dazubleiben. Sie will mit mir über meine Leistungen reden   … Ich habe schon gedacht, ob ich nicht vielleicht einfach meinen Dad anrufe und ihm sage, dass ich krank bin   – dass ich irgendwelche schlimmen Krämpfe habe oder so was.«
    Kate schüttelte den Kopf. »Besser, du bringst es gleich hinter dich.«
    Maggie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und starrte quer durch den Raum.
    Kate musterte Maggie, während sie ihre Schokoladenmilch trank. »Soll ich nach der Schule zu ihrem Klassenzimmer kommen und dich abholen? Als moralische Unterstützung quasi?«
    »Ja, klar«, sagte Maggie. »Aber komm besser nicht rein. Warte lieber vor der Tür. Das wäre super.«
     
    Um drei Uhr suchte sich Kate durch das Labyrinth von Gängen ihren Weg zu Mrs Murdocks Klassenzimmer. Die Jackson Highschool war ein trostloses Gewirr von Korridoren mit niedrigen Decken, Neonröhren und rot-goldenen Streifen an den Betonwänden, den Spinden und sogar auf dem Linoleumboden. Mit Tesafilm befestigte Poster warnten an allen Treppenabsätzen und Toilettentüren vor den Gefahren von Drogen und Alkohol, und eckiges Gekrakel, das in orange gestrichene Pfeiler geritzt war, verkündete die Namen der Mädchen, die vor kurzem ihre Jungfräulichkeit verloren hatten.
    Als Kate Mrs Murdocks Tür erreichte, winkte sie Maggie durch die Scheibe zu, hob aufmunternd die Daumen und sah sich dann erst einmal vorsichtig um, ob auch kein Lehrer in der Nähe war, bevor sie ihr Handy aus der Tasche zog und eine SMS zu schreiben begann. Maggie saß schweigend in der letzten Reihe des Klassenzimmers. Die Geometriestunde war Mrs Murdocks letzte Unterrichtsstunde des Tages gewesen, sodass Maggie danach gar nicht erst von ihrem Platz aufgestanden war. Sie hatte gehofft, dass sich vielleicht eine Gruppe von Schülern mit ähnlichen Noten wie sie zusammendrängen würde, alle bereit, eine Belehrung über sich ergehen zu lassen. Doch die anderen Schüler waren nach dem Klingeln hinausgeströmt, bis sie und die Lehrerin allein gewesen waren. Mrs Murdock war ganz vertieft in die Papiere auf ihrem Schreibtisch, und sie hob den Blick auch nicht, als sie sagte: »Komm doch mal her, Maggie.«
    Der Schreibtisch der Lehrerin stand am anderen Ende des Klassenzimmers, und als Maggie über das rot-gold gefleckte Linoleum ging,

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