Stimmt's?
Beschwerden, vor allem der Atemwege.
Das hat die Mediziner lange erstaunt, bis sie auf die Ursache dieses sogenannten Kartagener-Syndroms stießen, das auch als Primäre Ciliäre Dyskinesie bekannt ist: Es ist die Unbeweglichkeit der Zilien – feiner Härchen, die alle unsere Körperhöhlen von innen bedecken. In der Lunge sorgt die konzertierte Bewegung dieser Härchen dafür, dass Fremdkörper und Schleim nach draußen transportiert werden. Weil die Schwänze der Spermien sich nach demselben Prinzip bewegen, leiden Männer mit Kartagener-Syndrom oft unter Fruchtbarkeitsstörungen.
Die Zilien spielen aber auch eine Rolle bei der Entwicklung des Embryos. Der ist zu Beginn völlig symmetrisch, aber an einem bestimmten Punkt der Entwicklung sorgen bewegliche Härchen dafür, dass gewisse Botenstoffe ungleichmäßig verteilt werden. Bei Menschen mit unbeweglichen Zilien entscheidet daher der Zufall über die Orientierung der Organe – und bei der Hälfte ergibt sich die «seitenverkehrte» Orientierung.
Ärzte müssen heute noch den hippokratischen Eid schwören
Stimmt nicht. Zum Glück nicht. Denn dann müssten sie ihren Professor wie einen Vater behandeln, ihn im Alter versorgen und die Medizinerkunst kostenlos an dessen männliche Nachkommen weitergeben. Und auf keinen Fall dürfte der Arzt Patienten operieren, die unter Blasensteinen leiden – das müsste er nämlich den «Handwerkschirurgen» überlassen.
Der hippokratische Eid ist ein über 2000 Jahre alter historischer Text (nicht einmal die Autorenschaft des Hippokrates ist belegt). Damals stellte er nicht nur einen ethischen Code dar, sondern auch eine Standesordnung. Sich heute darauf zu berufen wäre purer Anachronismus. «Das suggeriert eine Einheitlichkeit des medizinischen Ethos, die nicht gegeben ist», sagt der Heidelberger Medizinhistoriker Axel Bauer. Mit dem Fortschritt der Medizin haben sich auch die ethischen Probleme verändert – man denke an Abtreibung oder Sterbehilfe –, und da kann Hippokrates wenig helfen.
Jeder Arzt, der in Deutschland approbiert wird, ist aber durch seine Zwangsmitgliedschaft in der Ärztekammer auf die Berufsordnung verpflichtet, in die unter anderem das Genfer Gelöbnis Eingang gefunden hat. Es ist eine modernisierte Fassung des alten Schwures, das «in seiner vieldeutigen Beliebigkeit ein würdiger Nachfolger deshippokratischen Eides» ist, wie der Freiburger Medizinhistoriker Karl-Heinz Leven urteilt. Die Unzulänglichkeiten ihrer Ordnungsschrift korrigieren die Ärztekammern mit Ergänzungen zu aktuellen ethischen Streitfragen, etwa mit Empfehlungen zur Sterbebegleitung.
Das beste Hochdeutsch wird in Hannover gesprochen
Stimmt. Die Hannoveraner sprechen tatsächlich das reinste – sprich dialektfreieste – Deutsch. Allerdings nicht «von Natur aus» – sie haben es sich mühsam vor etwa 200 Jahren antrainiert.
Das, was wir heute als Hochdeutsch bezeichnen, ist nämlich eine Kunstsprache, die aus keinem der deutschen Dialekte hervorgegangen ist, erzählt Herbert Blume, Sprachwissenschaftler an der TU Braunschweig. Hochdeutsch ist nichts weiter als der Versuch, das seit dem späten Mittelalter einigermaßen einheitlich geschriebene Deutsch auszusprechen.
Noch bis Ende des 18. Jahrhunderts galt das «Meißnische» als das Nonplusultra der deutschen Hochsprache, was vor allem auf die literarische Blüte Sachsens zurückzuführen ist. Das Meißnische wurde sogar mit dem attischen Dialekt im alten Griechenland verglichen. Aber irgendwann konnte das Bürgertum in den großen Städten dann doch nicht mehr darüber hinwegsehen, dass die Sachsen ihre phonetischen Schwierigkeiten hatten, vor allem bei der Differenzierung zwischen b und p, g und k, d und t. Der Image-Abstieg des sächsischen Dialekts begann, verbunden mit einem politischen Niedergang Sachsens zugunsten des immer stärker dominierenden Preußen. Spätestens nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) hatte sich das kulturelle Zentrum von Dresden und Leipzig nach Berlin verlagert, und schon Goethe spottete über den Anspruch der Sachsen, das schönste Deutsch zu sprechen.
Und es stellte sich heraus, dass das Plattdeutsche der Niedersachsen (deren kulturelles Zentrum damals noch Braunschweig war und nicht Hannover) über den besten Vorrat an Lauten verfügte, um das Schriftdeutsch wiederzugeben. In den norddeutschen Städten schaffte es das neue Hochdeutsch schnell, den Dialekt fast völlig zu verdrängen. Um 1790 riet
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