Stimmt's?
Frage stellte, schrieb in seiner Mail von einem Lastwagen, der «zwei Tonnen Kolibris» geladen hat, und wollte wissen, ob der eine Tonne leichter würde, wenn sich die Hälfte der Vögel in der Luft befände. Zwei Tonnen Kolibris – das wäre eine knappe Million Vögel! – Aber betrachten wir einfach die Physik. Wird der Lkw leichter, wenn die Vögel flattern? Zunächst einmal soll der Laderaum luftdicht abgeschlossen sein (ich weiß, das ist nicht gut für die Vögel). Dann ist das schlagendste Argument: Der Wagen mit den Kolibris ist ein abgeschlossenes System mit einer konstanten Masse. Deshalb ist es egal, ob die Vögel sitzen oder fliegen.
Weil viele dieses Argument nicht akzeptieren, kann man auch detaillierter argumentieren: Ein Vogel, der sich in der Luft befindet, braucht Auftrieb. Den bekommt er, wenn der Luftdruck unter seinem Flügel größer ist als der über dem Flügel. Er «pumpt» beim Flattern Luft nach unten, und der dadurch entstehende höhere Druck wird an den Boden des Laderaums weitergegeben – letztlich wirkt dort eine Kraft, die dem Gewicht des Vogels entspricht.
Weil viele Menschen das trotz aller Formeln nicht glauben, ist die Sache auch schon experimentell überprüft worden, in der amerikanischen Show
Mythbusters
(mit wenigen Vögeln, nicht mit zwei Tonnen Kolibris). Die Waage zitterte ein wenig, aber das Gewicht blieb konstant, als die Vögel in der Luft waren. Das Zittern hat seinen Grund: Sobald ein Vogel im Wagen herumflattert, bewegt sich der Schwerpunkt des Gesamtsystems. Wo der Schwerpunkt liegt, ist zwar für das Gewicht nicht bedeutsam, aber jede Beschleunigung des Schwerpunkts ändert kurzzeitig die Gewichtskraft. Denselben Effekt kann man sehen, wenn man auf einer Waage steht und schnell in die Hocke geht – für kurze Zeit zeigt die Waage mehr an, aber dann pendelt sie sich natürlich wieder auf den alten Wert ein.
Anders sieht es allerdings aus, wenn der Lkw nicht völlig dicht ist. Dann ist das System nicht mehr geschlossen, und die Luftdruckschwankungen durch den Flügelschlag können nach oben, unten oder zur Seite entweichen. Ein paar Luftlöcher zum Atmen machen nicht viel aus, aber wenn die Ladefläche nur eine Pritsche ist, werden die fliegenden Kolibris nicht mehr mitgewogen – abgesehen davon, dass sie sowieso bald weg sind. Und natürlich gibt es alle möglichen Zwischenwerte mit teilweise offenen Laderäumen.
Bundespräsident Heinrich Lübke hat bei einem Staatsbesuch in Afrika eine Rede mit den Worten begonnen: «Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger!»
Stimmt nicht. Wobei das wieder die bei Zitaten übliche Antwort ist: bis zum Nachweis des Gegenteils. Ich habe das Bundespräsidialamt angerufen, mit Heinrich Lübkes Biographen gesprochen, mehrere Rundfunkarchive durchforsten lassen und Afrikaexperten befragt. Ergebnis: Jeder kennt das Zitat, die meisten hätten es Lübke auch zugetraut, es wird von manchen sogar genau datiert auf einen Staatsbesuch in Liberia im Jahr 1962 – aber es gibt keinen Beleg dafür!
Das berühmte Zitat findet sich weder auf der Schallplatte «… redet für Deutschland» noch in dem Bändchen «Worte des Vorsitzenden Heinrich». Wolfgang Koßmann vom Bundespresseamt, der selbst seit Jahren nach einer Quelle forscht, hält den Ausspruch denn auch für «gut erfunden». Schließlich hat das Exstaatsoberhaupt gerade in Entwicklungsländern kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen, etwa als er in der madagassischen Hauptstadt Tananarive (heute Antananarivo) eine Rede mit den Worten «Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive!» begann und später über das Land sagte: «Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden.»
Muss man Lübke demnach als üblen Rassisten einstufen? Da widerspricht der Filmemacher Martin Baer, Autor der Dokumentation «Befreien Sie Afrika!», vehement: «Mit seinen Afrikareisen wollte er die Hilfe für die damals nach Unabhängigkeit strebenden oder gerade unabhängig werdenden Länder fördern.» Wenn Lübke also zu mauretanischen Abgesandten sagte: «Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten», dann klingt das für unsere Ohren vielleicht unerträglich paternalistisch, aber es kam gewiss von Herzen.
Trotz vieler Reisen blieben die fernen Länder Lübke immer fremd. So war er im April 1967 froh, in die Heimat zurückzukehren: «Nach meiner Asienreise hat mich die frische, raue Luft des Sauerlands umgeschmissen.»
«Made in Germany» wurde von den Engländern
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