Stirb ewig
Handy.
»Das ist nicht fair, Mike«, verkündete Vic vorwurfsvoll. »Ich bin sehr enttäuscht von dir. Du hättest mir von dem Telefon erzählen sollen. Also ehrlich.«
Michael zitterte vor Panik. Er sah die Augen durch die Schlitze der Kapuze glitzern, nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht. Grüne Augen wie die einer Wildkatze.
»Soll ich dir wieder wehtun, Mikey? Möchtest du das? Mal sehen, wen du anrufen wolltest.«
Kurz darauf hörte Michael von fern die Stimme des Polizeibeamten.
»Na so was«, sagte der Australier. »Ruft seine Verlobte an. Nett, aber ungezogen. Zeit für die Bestrafung. Soll ich dir noch einen Finger abschneiden – oder willst du noch mal den Zirkel an den Eiern?«
»Nnn.«
»Tut mir Leid, du sprichst so undeutlich. Was hättest du am liebsten? Mir ist es egal. Dein Freund Mark ist übrigens ein unhöflicher Kerl. Stell dir vor, er hat gar nicht Auf Wiedersehen gesagt.«
Michael blinzelte. Wovon redete der Typ? Wohin mochte Mark gefahren sein, ohne sich zu verabschieden?
»Mikey, hier eine kleine Denkaufgabe. Du hast eine Million zweihunderttausend Pfund auf den Cayman Islands gehortet. Ein schöner Notgroschen, was?«
Wie viel der Mann über ihn und sein Leben wusste. War er etwa hinter diesem Geld her? Sollte er es doch haben, jeden Penny, wenn er ihn nur laufen ließ. Michael versuchte, es ihm zu sagen.
»Das ist reizend von dir, Mikey, was immer es auch heißen soll. Ich weiß deine Bemühungen wirklich zu schätzen. Dein Problem ist nur, dass ich das Geld bereits habe. Will sagen, ich brauche dich nicht mehr.«
80
ALS GRACE UM KURZ VOR MITTERNACHT wieder auf den Parkplatz von Sussex House bog, nickte er dem Wachmann müde zu. Auf der Rückfahrt hatten er und Branson wenig gesprochen und meist in Gedanken versunken dagesessen.
Als Grace einparkte, gähnte Branson herzhaft. »Meinst du, wir können jetzt ein bisschen schlafen?«
»Dir fehlt es an Durchhaltevermögen, Kleiner.«
»Und du bist natürlich hellwach, was? Läufst auf allen Zylindern. Ich habe gehört, dass man ab einem bestimmten Alter weniger Schlaf braucht, was sich gut trifft, da man ohnehin dauernd aufstehen und pinkeln muss.«
Grace lächelte.
»Ich freue mich nicht gerade aufs Älterwerden«, sagte Branson. »Du etwa?«
»Ehrlich gesagt, ich denke nicht oft darüber nach. Wenn ich einen Typen wie Mark Warren, mit dem ich vor wenigen Stunden noch gesprochen habe, zerschmettert auf dem Gehweg liegen sehe, lebe ich lieber von einem Tag zum nächsten.«
Branson gähnte erneut.
»Ich mache mich wieder an die Arbeit. Du kannst dich verziehen, wenn du möchtest.«
»Manchmal bist du ein Arsch«, sagte Branson und folgte ihm zögernd durch den Haupteingang.
Emma-Jane Boutwood war die Letzte in der Soko-Zentrale. Grace ging zu ihr und deutete auf die leeren Arbeitsplätze. »Wo sind die alle hin, E-J?«
Sie beugte sich vor, als wollte sie etwas Kleingedrucktes auf dem Bildschirm lesen, und antwortete zerstreut: »Vermutlich nach Hause.«
Grace betrachtete ihr müdes Gesicht, und klopfte ihr leicht auf die Schulter. »Ich glaube, Sie sollten auch Schluss machen, es war ein langer Tag.«
»Darf ich noch eine Minute dranbleiben, Roy? Ich habe da etwas, das Sie, Sie beide, meine ich, interessieren könnte.«
»Jemand Kaffee? Wasser? Cola?«, fragte Grace.
»Gibst du einen aus?«
»Nein, das geht auf Kosten der Steuerzahler. Wenn wir bis Mitternacht arbeiten sollen, müssen sie uns auch den Kaffee finanzieren.«
»Ich nehme eine Cola light«, sagte Branson. »Nein, lieber eine normale, ich brauche jetzt den Zuckerschub.«
»Ich hätte gern einen Kaffee«, fügte Emma-Jane hinzu.
Grace ging in den Aufenthaltsbereich, wo sich die Küchenzeile und die Verkaufsautomaten befanden. Er fischte Kleingeld aus der Tasche, zog einen doppelten Espresso für sich, einen Cappuccino für Emma-Jane und Bransons Cola und stellte alles auf ein Papptablett.
Als er zurückkam, deutete die junge Ermittlerin gerade auf ihren Bildschirm, während Branson ihr konzentriert über die Schulter blickte. Dann sagte er, ohne sich umzudrehen: »Roy, das musst du dir ansehen!«
»Ich sollte doch Ashley Harpers Hintergrund durchleuchten«, ergänzte Emma-Jane.
»Stimmt. Und was haben Sie herausgefunden?«
»Eine ganze Menge«, sagte sie stolz.
»Dann mal los.«
Sie blätterte in einem Notizbuch, dessen Seiten mit ihrer ordentlichen Handschrift bedeckt waren. »Sie hatten mir gesagt, Ashley Harper sei in
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