Stirb für mich: Thriller
innerlich vor Wut kochte.
»Ich dachte, ich tauche ein paar Monate unter, bevor ich mich auf den Weg zurück nach Dubai mache.«
An der Wand hinter Dowd hing in einem großen vergoldeten Rahmen ein nach einem Foto gemaltes Porträt von Tambes älterem Bruder Bada Tambe – Big Tambe. Es bestand keinerlei Familienähnlichkeit. Big Tambe war alles gewesen, was sein jüngerer Bruder nicht war: groß, gut aussehend und charismatisch. Dieses Porträt, das in Originalreproduktionen auch in seinen Häusern in Dubai und Mumbai hing, beherrschte seine Gedanken seit fast zwanzig Jahren. Er hatte seinen großen Bruder geliebt und fühlte den stechenden Schmerz über dessen Verlust noch so frisch wie an dem Tag im Jahr 1993, als Bada Tambe gestorben war.
Doch neben seinem Bruder gab es einen weiteren Menschen, der Chhota Tambes Gedanken in dieser Zeit fast ebenso intensiv beschäftigt hatte, und das war Frank D’Cruz. Mit derselben Leidenschaft, mit der Tambe seinen Bruder geliebt hatte, hasste er Frank D’Cruz. Dieser Hass war einer der wichtigen ausgleichenden Faktoren in seinem Leben.
»Und das Mädchen?«, fragte Tambe. »Sie haben gesagt, die Glasscheibe war zerschossen. Sind Sie sicher, dass sie überlebt hat?«
»In dem Raum, in dem sie gefangen gehalten wurde, war kein Blut.«
»Die Polizei ist den Leuten auf den Fersen, die Ihre Freunde erschossen haben«, sagte Tambe, strich seine Zigarettenschachtel glatt und richtete sie, ordnungsliebend, wie er war, parallel zu den Geldbündeln aus. »Es war in den Sky-Nachrichten.«
»Dann sollte ich wohl besser verschwinden«, erwiderte Dowd und stand auf.
»Das ist für Sie«, sagte Tambe und schob das Geld über den Tisch.
Dowd nahm es mit einem Nicken entgegen und verstaute die Bündel in seiner Reisetasche.
»Meine Männer werden Sie an jeden gewünschten Ort bringen«, sagte Tambe und kam um den Tisch. Im Stehen war er kaum größer als im Sitzen. »Darf ich den Eurostar nach Paris vorschlagen? Der schnellste Weg, das Land zu verlassen.«
Dowd schüttelte die schlaffe Hand des kleinen Mannes. Die beiden Schwergewichtler, die bei der Tür gewartet hatten, brachten ihn zur Garage.
»Darf ich mal was fragen?«, sagte Dowd, als sie dicht gedrängt in dem kleinen Aufzug standen. »Wie lange geht das schon zwischen eurem Boss und Frank D’Cruz?«
Die beiden Schläger sahen sich an, grinsten, konnten der Versuchung nicht widerstehen.
»Kommt drauf an, wen du fragst«, sagte der eine.
»Ich frage euch«, sagte Dowd.
»Wir würden dir erzählen, seit dem Tag, an dem Sharmila Chhota Tambe verlassen hat, um für Frank D’Cruz zu arbeiten.«
»Und wenn ich«, sagte Dowd nachdenklich, »den Mann persönlich fragen würde?«
»Dann würdest du eine ganz andere Geschichte zu hören bekommen«, antwortete der zweite Schläger.
Beide lachten, als die Fahrstuhltür aufging. In der Garage standen drei Wagen. Sie gingen zu dem Range Rover und öffneten Dowd die hintere Tür. Er stieg ein, und die beiden Schläger nahmen links und rechts von ihm auf der Rückbank Platz. Kein Fahrer. Anfangs wusste er nicht, was der sonderbare Schmerz auf beiden Seiten zu bedeuten hatte, der ihm den Atem raubte. Er blickte von einem Mann zum anderen. Sie lehnten sich an seine Schultern und drückten gegen seinen Brustkorb, während er das eigenartige Gefühl hatte, dass das Leben in ihm abfloss.
In der Dunkelheit fühlte sich Dan sicherer. Jetzt musste er sich nicht mehr so weit von ihrem Versteck entfernen. Er ging am Kanal entlang bis zum Broadway Market und lief die paar hundert Meter bis London Fields, wo er in der Dunkelheit in der Mitte des Parks verschwand, sich auf eine Bank setzte und den Anruf machte.
»Hallo, Dan«, sagte Isabel Marks, als ob er nie damit gedroht hätte, ihrer Tochter einen Finger zu amputieren, und es zu einem entscheidenden Zeitpunkt der Verhandlungen auch zu keiner längeren Funkstille gekommen wäre. Die Kraft in ihrer Stimme erstaunte ihn und schüchterte ihn auch ein wenig ein.
»Guten Abend, Mrs Marks«, sagte er.
»Ich war nicht in der Lage, noch mehr Geld aufzutreiben«, sagte sie. »Wenn Sie mehr wollen, müssen Sie bis morgen warten.«
»Wir sind bereit, einhunderttausend Pfund in bar zu akzeptieren, aber es muss heute Nacht passieren.«
Er hörte sie schlucken. Es klang, als wollte sie »Danke« sagen, brächte das Wort jedoch nicht über die Lippen. Vielleicht hatte sie auch gedacht: Sie können mich mal , und sich gerade noch rechtzeitig
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