Stirb für mich: Thriller
mal nicht, etwas wegen der Patrone im Rücksitz zu unternehmen. Wir schicken Kriminaltechniker, die sich die Sache ansehen.«
Der Wagen hielt vor einem großen weißen Haus mit Stuckfassade in Belsize Park Gardens. Boxer trug seinen kleinen Koffer in die oberste Etage, packte die Kleidung aus, die er in Lissabon getragen hatte, öffnete den doppelten Boden und nahm die fünfundzwanzigtausend Euro heraus – seine Pokergewinne. Er verstaute die Geldbündel in einem Wandsafe hinter dem Gemälde eines italienischen Geschäftsmanns aus dem 16. Jahrhundert in einem schweren vergoldeten Rokoko-Rahmen. Er nahm zweitausend Pfund in bar heraus, schloss den Safe und hängte das Bild wieder an seinen Platz.
In der Küche räumte er Töpfe und Pfannen aus dem Topfschrank und entfernte einen Teil des Bodens. Er hob die Diele darunter an und zog seine belgische FN 57 Halbautomatik und ein Ersatzmagazin mit zwanzig Schuss heraus. Er mochte diese Waffe, weil sie selbst geladen mit eineinhalb Pfund immer noch leicht war, jedoch die Feuerkraft besaß, Kevlar-Westen zu durchdringen. Er verstaute die Waffe, das Ersatzmagazin und tausendfünfhundert Pfund von dem Bargeld in dem doppelten Boden seiner Reisetasche und packte saubere Sachen ein. Aus dem leeren Gästezimmer holte er einen silbernen Hartschalenkoffer, der sein Aufnahmegerät, einen Laptop, Memory-Sticks, Notizblöcke und vorbereitete Karten mit Zeichen zur Verwendung bei Telefonaten mit Entführern, Filzstifte und Blu-Tack enthielt. Zusätzlich packte er eine Stiftlampe und diverse Metallwerkzeuge ein, stellte alles neben die Wohnungstür und rief erst dann Martin Fox an.
»Ich bin engagiert«, sagte er. »Jemand auf einer Vespa hat auf dem Weg vom Ritz zum Haus seiner Exfrau in Kensington auf D’Cruz geschossen.«
»Mein Gott«, sagte Fox. »Trotzdem kann ich nicht behaupten, dass er auf mich wie eine unschuldige Jungfrau gewirkt hat.«
»Du solltest Kriminaltechniker vorbeischicken, die die Kugel aus dem Rücksitz holen und ballistisch untersuchen«, sagte Boxer. »Ich hab dem Fahrer gesagt, er soll sie nicht anrühren.«
»Ich rede mit D’Cruz’ Versicherern, und morgen kriege ich im Büro Besuch von einem DCS Makepeace, der in meiner Einsatzzentrale sitzen möchte. Den interessiert das garantiert auch.«
»Ich würde nicht davon ausgehen, dass es etwas mit der Entführung zu tun hat. Warum den Mann umbringen, den man unter Druck setzen will?«, sagte Boxer. »Vielleicht solltest du auch einen Leibwächter für D’Cruz abstellen. Der Fahrer war ganz gelassen und meinte, er würde beim nächsten Mal eine Limo mit kugelsicheren Scheiben nehmen. Hast du schon mit D’Cruz gesprochen?«
»Nein. Hat es ihn sehr mitgenommen?«
» Und aufgescheucht«, sagte Boxer.
Die Ankunftshalle von Gatwick war voll. Mercy stand ein gutes Stück abseits des Gedränges hinter den beiden Absperrungen vor der Doppeltür des Zolls. Sie hatte freien Blick auf den Gang, durch den die eintreffenden Passagiere kommen würden. Amys Flugzeug war gelandet.
Der strenge Geruch von gebratenem Essen trug zusätzlich zu ihrer Übelkeit bei, die jedoch vor allem auf ihre Nerven zurückzuführen war. Sie konnte nicht umhin zu denken, dass sie als Mutter versagt hatte. Sie nahm an, dass ihre Unfähigkeit daher rührte, dass ihr selbst eine Mutter gefehlt hatte, weil die im Kindbett gestorben war, als Mercy sieben war. Ihr Vater, ein ghanaischer Polizeibeamter, hatte mit irrwitzig strengem Regiment über sie und ihre vier Geschwister geherrscht. Vielleicht hatte sie vom Muttersein auch einfach die Nase voll gehabt, nachdem ihr als Ältester viele Pflichten ihrer verstorbenen Mutter zugefallen waren. Sie hatte jedenfalls nie vorgehabt, selbst so jung ein Kind zu bekommen. Amy war nicht geplant gewesen, und sie und Boxer hatten sich noch vor ihrer Geburt wieder getrennt. Sie hatte gemerkt, dass sie Amy wenig zu bieten hatte. Auf keinen Fall wollte sie Disziplin nach Art ihres Vaters durchsetzen, aber eine echte Alternative wusste sie auch nicht. Außerdem hatte sie es mit einer Tochter zu tun, die die zweifelhaften Gene von Charles Boxer in sich trug, und das war in keinem Fall leicht – ein Ausreißer, dessen Vater verschwunden war, ein Kriegsveteran, ein Einzelgänger, ein Mann, der ihres Wissens nie leidenschaftlich geliebt hatte und der nach der Aufgabe seines Jobs bei GRM beunruhigend bindungslos und distanziert geworden war.
Die Doppeltür öffnete sich, und Amy kam heraus. Blond gefärbte
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