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Stirb für mich: Thriller

Stirb für mich: Thriller

Titel: Stirb für mich: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Locken umrahmten ihr breites karamellfarbenes Gesicht und die dunklen, vollen Lippen. Selbstbewusst ließ sie aus hellgrünen Augen den Blick über die Menge schweifen. Sie hatte einen kleinen Rucksack über der Schulter und zog einen dunkelblauen Koffer hinter sich her, den Mercy nicht erkannte und der für ein Wochenende auch viel zu groß wirkte.
    Mercy hielt sich im Hintergrund und wartete. Als Amy das Ende des Ganges erreicht hatte, löste sich ein Schwarzer aus der Menge. Er war etwa dreißig, mit kurzen Dreadlocks, trug einen langen schwarzen Ledermantel und einen weißen Schal. Für Mercys geübten Blick sah er nicht aus wie ein Verbrecher. Er küsste Amy einmal auf die Wange und übernahm den Koffer. Dann legte er ihr kurz den Arm um die Schulter und ließ sie wieder los. Mercy hielt ihr Handy hoch und machte ein Foto von den beiden, die unbefangen plaudernd weitergingen. Es war, als würde man einen Bruder beobachten, der seine kleine Schwester abholt.
    Sie gingen an Mercy vorbei, die ihnen zwanzig Meter Vorsprung ließ, bevor sie die Verfolgung aufnahm. Ihr Ziel waren die Kurzparker-Plätze und der Bahnhof, aus dem gerade ein Schwung von Leuten strömte, als Amy sich von ihrem Partner löste und die Rolltreppe zu den Bahnsteigen nahm. Der Mann ging mit dem Koffer weiter. Mercy hielt sich an Amy. Sie hatte bereits eine Rückfahrkarte gelöst und nahm die Rolltreppe abwärts. Unten sah sie ihre Tochter in dem erleuchteten Warteraum sitzen.
    Von dem halbdunklen Bahnsteig aus beobachtete sie Amy durch das Fenster, fasziniert davon, ihre Tochter außerhalb der gewohnten Umgebung zu sehen. Amy unterhielt sich mit einem Ehepaar von Mitte vierzig. Sie wirkte entspannt. Das Paar lachte. Es hätten Charles und Mercy sein können … sollen, aber sie waren es nicht. Wieder wurde sie von einem Gefühl des Versagens überwältigt. Wie hypnotisiert trat sie näher und näher an das Fenster, bis ihr Gesicht die Scheibe berührte. Ihre Tochter plauderte ahnungslos weiter. Sie erzählte eine Geschichte, machte Grimassen, war amüsant. Dann blickte sie auf.
    Als Erstes sah Mercy Angst, dann Wut.
    »O Scheeeiiiiße «, sagte eine Stimme hinter ihr.
    Mercy drehte sich um und sah Karen auf den Warteraum zukommen. Auch in ihrem Gesicht lag Furcht. War das alles, was sie auslöste? Furcht? Nein, da war immer auch noch Wut.
    »Was … was … machen Sie hier, Mrs Danquah?«
    »Ich dachte, ich hol euch vom Flugzeug ab.«
    Die Tür des Wartezimmers fiel zu.
    »Das ist typisch, das ist so verdammt typisch«, sagte Amy und zeigte mit den Fingern auf ihre Mutter. »Du kannst nie aufhören, Polizistin zu spielen, was? Jetzt musst du auch noch deiner eigenen Tochter gegenüber den Scheißbullen spielen.«
    Für einen Moment war Mercy erschüttert von der Veränderung ihrer Tochter, der augenblicklichen Heftigkeit. Dabei hatte sie Sekunden zuvor noch übers ganze Gesicht gestrahlt. Wohin war das Strahlen verschwunden? Ich will das Strahlen zurückhaben, Mädchen.
    Aber was Amy gesagt hatte, stimmte. Sie konnte nichts dagegen tun. In bestimmten Momenten trat Detective Inspector Mercy Danquah auf den Plan. Man arbeitete nicht siebzehn Jahre bei der Met, um sich von einem siebzehnjährigen Mädchen an der Nase herumführen zu lassen.
    »Wenn ich ›die Polizistin spielen‹ würde, hätte ich ein Empfangskomitee für dich und deinen feinen Freund organisiert und euch beide wegen Schmuggels festnehmen lassen«, sagte Mercy. »Und wo stündest du dann, Amy Boxer? Vielleicht mache ich das mit meinem Fotobeweis immer noch.«
    Sie hielt ihr Handy mit dem Foto der beiden auf dem Display hoch. Amy starrte sie mit aufgerissenen Augen an.
    »Du solltest mir besser verraten, was in dem Koffer war.«
    Amy war so wütend darüber, auf frischer Tat ertappt worden zu sein, dass sie kein Wort herausbrachte. Die Demütigung kochte in ihr. Und das alles auch noch vor ihrer Freundin.
    »Es waren bloß Zigaretten, Mrs Danquah«, sagte Karen hastig. »Das war alles. Ehrlich. Nur Zigaretten.«
    Isabel bereitete in der Küche den Reis mit Ente zu, den sie für die Lunch-Party geplant hatte. D’Cruz führte Boxer in ein Gästezimmer im obersten Stock des Hauses. Boxer stellte seine Reisetasche aufs Bett und fragte nach einem zentralen Raum mit Telefonbuchse, wo er sein Aufnahmegerät aufbauen konnte.
    Sie gingen eine Etage tiefer in ein Zimmer mit einem Schreibtisch, einem Stuhl und einem Einzelbett. D’Cruz sah von der Tür aus zu, während Boxer das

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