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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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anzusehen? Das ist das Geilste überhaupt.
    »Muss das sein? Wir sind hier auf einem Friedhof.«
    Ich hab die Alte gar nicht kommen hören. Sie steht neben mir, in einem dicken Mantel und mit Schal. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass es Natalies Mutter ist. Sofort mache ich den Clip aus. Stecke das Smartphone ein und gehe wortlos davon.
    »Bist du Tristan?«, ruft sie mir nach.
    Meine Beine bleiben abrupt stehen.
    Wie kommt sie auf den Namen?
    Ich kehre zu ihr zurück.
    »Was soll die Frage? Sehen Sie nicht, dass ich ein Mädchen bin?«
    »Oh. Tut mir leid.«
    »Schon gut. Passiert mir öfter. Es nervt halt. Wer ist denn dieser Tristan?«
    »Ich weiß es nicht. Sascha und Joy haben mich nach ihm gefragt, er muss mit Natalie befreundet gewesen sein, und seither geht mir das nicht mehr aus dem Kopf. Kennst du Sascha?«
    »Flüchtig.«
    »Und Joy?«
    Darauf sage ich nichts.
    »Die beiden haben mich besucht, nach Natalies Tod. Ganz liebe Menschen. Würde mich nicht wundern, wenn sie inzwischen ein Paar wären. Man hat gleich gesehen, dass da was ist zwischen ihnen.«
    Wieso muss sie das sagen? Versaut mir total die Stimmung.
    Aber sie redet immer weiter.
    »Sascha wollte Natalie beschützen, und jetzt hat er ein schlechtes Gewissen. Als ob er Schuld an ihrem Tod hätte. Joy hat mir das erzählt. So ein feiner Kerl. Er wäre gut für Natalie gewesen … Wenn sie ihn an sich herangelassen hätte.«
    Rangelassen. Rangelassen. Was labert die Alte denn? Tut’s ihr etwa leid, dass ihre Tochter nicht rumgemacht hat mit Sascha? Spinnt die?
    Was ist das denn auf einmal? Ich bin ganz wacklig. Kippt gerade der Boden unter mir weg, oder was ist das?
    Ich greife nach etwas, um nicht zu fallen. Nicht abzustürzen.
    Joy. Also doch Joy. Die Negerfotze. Die lässt den schönen Sascha bestimmt an sich ran. Und er hat kein schlechtes Gewissen mehr, wegen Natalie. Und die bescheuerte Mareike stört auch nicht mehr. Die ist abserviert. Kaltgestellt. Langweilig. Gar kein richtiges Mädchen, mit ihren –
    »Was ist denn mit dir? Geht’s dir nicht gut?«
    Ich starre sie an. Warum fragt sie das? Was sieht sie in meinem Gesicht?
    Da merke ich, dass sie es ist, an der ich mich festhalte. Ihr Arm.
    Ich lasse sie los.
    Muss weg.
    Sofort weg …
     
    ICH SCHMEISSE DAS Taschentuch zu den tausend anderen. Rotz und Tränen. Tränen und Rotz. Jetzt hab ich gar nichts mehr. Nicht einmal mehr Rotz und Tränen. Alles ist so scheiße. Das Leben. Alles.
    Ich will tot sein. Jetzt.
    Ich gehe an meinen Schreibtisch und hole das Döschen mit dem letzten Zyankali, das ich noch habe.
    Schlucken und weg, für immer.
    So einfach wäre es. Und doch so schwer. Wieso hänge ich an einem Leben, das mir nichts bedeutet? Das ich hasse?
    Ob sie auf der anderen Seite auf mich warten? Sarah. Alina. Natalie. Laila.
    Joachim.
    Wie werden sie mich empfangen?
    So ein Quatsch. Es gibt keine andere Seite. Kein Leben danach.
    Nicht einmal ein Leben davor. Nicht für mich.
     
    MEIN ENTSCHLUSS STEHT fest. Ich werde gehen. Jetzt, da ich das beschlossen habe, bin ich völlig ruhig. War ja klar, dass es so enden würde. So enden musste. Mit mir. Aber ich gehe nicht allein und nicht als Verliererin. Sascha. Joy. Nicht ihr werdet über mich triumphieren, sondern ich über euch. Schade nur, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Ich muss mich beeilen, damit ich alles schaffe, bevor mich die Bullen kriegen. Allerdings müssen die mich erst finden. Und ich hab was, was die nicht haben: einen Plan.

36
    »BIN GLEICH SO weit.« Joy hatte die Zahnbürste in der Hand, als sie öffnete, aus einem Mundwinkel tropfte weißer Schaum. Sie lief zurück ins Bad, Sascha blieb in der Tür stehen.
    »Ist es kalt draußen?«, rief sie. »Brauch ich eine Mütze?«
    »Keine Ahnung. Ich hab eine dabei.«
    Sie kam in den Flur und begann, sich einen Schal umzuwickeln. »Das ist eine absolute Premiere«, sagte sie dabei.
    »Was?«
    »Dass du vor mir fertig bist und mich abholst. Stimmt was nicht mit dir?«
    Er hätte gerne etwas Witziges erwidert, aber ihm fiel nichts ein, deshalb zuckte er nur mit den Schultern und sah zu, wie sie in ihre Jacke schlüpfte und ihren Rucksack schnappte.
    »Dass Mirko tot ist, hast du gehört, oder?«, fragte er auf dem Weg nach unten.
    »Hab’s eben gelesen, ja. Damit ist wohl alles geklärt.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Wieso? Ich dachte, es gibt ein Geständnis. Hat deine Mutter irgendwas gesagt?«
    »Nee, aber sie hat so Anspielungen gemacht.«
    »Bist du deshalb so

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