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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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nicht abwehrend aus. Nicht so, als sei ich angespannt, weil ich etwas zu verbergen hätte. Nicht so, als würde mir gerade der Schweiß in Strömen das Rückgrat runterlaufen.
    »Ich hab’s gelesen, ja.«
    »Wir haben Ihre Adresse bei seinen Sachen gefunden, deshalb sind wir hier. Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu ihm?«
    Der Drecksack ist mir also bis hierher nachgestiegen. Obwohl ich es ihm verboten hab. Und ich hab’s nicht gemerkt!
    »Ist schon ein bisschen her.«
    »Tage oder eher Wochen?«
    »Wochen. Ich kann Ihnen nicht viel über Mirko sagen. Er wollte was von mir, aber ich nichts von ihm. Ich steh nicht so auf Typen, die klammern, und so einer war er.«
    Das stimmt sogar, zu hundert Prozent.
    »Sie wissen, was er mutmaßlich getan hat?«
    »Sie meinen die Sache mit den Mädchen?«
    Synchrones Nicken.
    Jetzt hab ich die Arme doch verschränkt, ganz automatisch, ich hab es nicht mal mitgekriegt.
    »Davon hab ich gelesen. Hat mich irgendwie nicht überrascht.«
    Sie tauschen einen Blick. Hab ich was Falsches gesagt?
    »Warum nicht?«, fragt Falterer.
    »Der Typ war total krass.«
    »Ihr letzter Kontakt zu ihm ist wirklich schon einige Wochen her?«
    Falterer sieht mich an, als würde er nicht nur meine Aussage bezweifeln, sondern meine ganze Show. Als wüsste er längst Bescheid, selbst über meine stillsten Gedanken.
    Aber das kann nicht sein. Darüber kann er nichts wissen.
    Von einer Sekunde auf die nächste ödet mich dieses Gespräch an, ich will nicht mehr mit diesen Typen reden, ich will nur noch, dass die beiden weggehen.
    »Soll das hier eigentlich länger dauern? Ich hab nämlich den ganzen Tag schon üble Kopfschmerzen, Migräne, mir wär’s lieber, wenn wir das Gespräch verschieben. Ich komme gerne zu Ihnen ins Präsidium.«
    Die beiden sehen sich an.
    »Das geht natürlich auch. Wann passt es Ihnen denn?«
    Okay, jetzt steht es fest: Noch haben sie gar nichts gegen mich.
    »Morgen. Mittags vielleicht.«
    »Also dreizehn Uhr?«
    Ich nicke.
    Falterer holt eine Visitenkarte aus seiner abgewetzten Geldbörse und reicht sie mir.
    Ich begleite die beiden zur Haustür und verabschiede mich per Handschlag von ihnen. Es könnte lustig sein, ihnen morgen ein paar Denkaufgaben zu geben, die sie nirgendwo hinführen. Mir fällt bestimmt etwas ein, das ihnen gefallen wird. Aber auch wenn sie noch ein wenig in die Irre laufen, irgendwann werden sie auf etwas stoßen, das mich verrät. Eher früher als später, fürchte ich.
     
    ICH ZIEHE DIE Baseballmütze auf, und fertig. Alles sitzt. Mit den Klamotten kommen auch die lässige Haltung und der breite Gang, es geht ganz von selbst. Im Flur läuft mir die Alte Schlampe über den Weg, sie hat mir aufgelauert, aber ich sag ihr nicht, was die Bullen von mir wollten, und wenn sie sich auf den Kopf stellt.
    Sie sieht mich entgeistert an. »Wie siehst du denn aus?«
    Lange her, dass sie mich so gesehen hat. Ich schiebe mir einen Kaugummi rein und sehe zu, wie ihre Augen nass werden. Ich weiß genau, was sie denkt und was sie fühlt. Sie leidet. Oh, mein Gott, wie sie leidet! Ha, ha!
    »Was soll der Aufzug, Mareike?«
    »Mareike? Wer ist das? Ich bin Tristan.«
    Patsch! Schon habe ich ihre Hand im Gesicht. Und sie hat richtig fest zugeschlagen. Ich hab mir auf die Lippe gebissen. Ich wusste ja, dass das kommen würde. Ich wollte es. Ich lache sie aus.
    »Nimm nie wieder diesen Namen in den Mund, oder ich …«
    »Was? Willst du mich wieder wegsperren? Die Zeiten sind vorbei.«
    »Ich sage es einfach Papa …«
    Ich strecke ihr den Mittelfinger entgegen und lasse sie stehen.
     
    DER GRABHÜGEL IST vorweihnachtlich geschmückt, mit Tannenzweigen und Grablichtern. Sieht total albern aus. Das Kreuz mit Natalies Bild steckt am Kopfende. Eine Blume, verwelkt, ehe sie erblühte.
    Ich sehe das alles und – fühle nichts.
    Nein, das stimmt nicht. Ich fühle sehr wohl etwas. Ich fühle mich gut. Richtig gut.
    Ihre Titten, ihr knackiger Arsch, ihre schönen, großen Augen – sie vermodern unter meinen Füßen, und ich bin noch da.
    Ha!
    Ich ziehe mein Smartphone raus, stecke mir einen Ohrstöpsel rein und starte den Clip mit dem Titel Natalie . Und dann sehe ich sie wieder röcheln und krampfen und das ungläubige Staunen in ihrem Gesicht und dann, und dann, gleich werden ihre Augen brechen. So cool. So cool. Andere gucken Pornos, ich hab das. Hier an ihrem Grab kommt es noch viel besser. Mann, wieso bin ich nicht früher auf die Idee gekommen, es mir hier

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