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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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Tür?«
    »Nur so. Ich finde es nur einfach nicht so toll hier. Ehrlich gesagt.«
    »Hast du auch solchen Durst?«, fragte Mareike.
    Er schaute auf. »Ein bisschen, ja.«
    »Ich hab Cola da. Du magst doch Cola, oder?«
    »Klar, Cola ist super.«
    Er sah zu, wie sie sich umdrehte, hinter sich fasste und eine halb volle Flasche Cola hervorholte. Dabei stieß sie mit dem Ellbogen einen wackligen Stapel aus Schachteln um. Die oberste kippte einen großen Teil ihres Inhalts genau neben ihm aus. Doch das Einzige, was er davon sah, war eine Baseballmütze. Eine giftgrüne Baseballmütze, die er schon mal gesehen hatte. Und er wusste auch sofort, wo.
    »Das gibt’s ja nicht! Genau so eine hatte Tristan auf, als ich ihn mit Natalie gesehen hab.«
    Mareike zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich?«, sagte sie nur.
    Erst jetzt bemerkte er die handschriftlich beschriebenen Blätter, die unverkennbar aus einer Kladde herausgerissen waren. Die Handschrift kam ihm bekannt vor.
    »Das … Das … Sind das etwa die fehlenden Seiten aus Alinas Tagebuch?«
    Mareike spitzte nur die Lippen. »Kann sein.«
    »Wie kommst du denn daran? Und wieso …?« Erst jetzt begann er zu verstehen. Oder glaubte es zumindest. Wie hatte er die ganze Zeit nur so blind sein können? »Du und Mirko … Ihr wart das gemeinsam, oder?«
    »Red keinen Quatsch!«, fuhr sie ihn an, um zwei Sekunden später ruhiger fortzufahren: »Du bist wirklich nett, Sascha, aber als Detektiv nicht so besonders. Deine Mutter hat schon recht: Mirko hatte mit Tristan nie was zu tun.«
    »Aber du, oder?«
    Sie lachte auf. »Ja, schnallst du es denn immer noch nicht?«
    »Was?«
    »Ich bin Tristan!«
    Ehe er auch nur einen Gedanken fassen konnte, hatte sie erneut hinter sich gegriffen, ein Gerät, das ein wenig wie eine Pistole aussah, hervorgeholt und gegen seine Schulter gedrückt. Dann spürte er nur noch einen heftigen Schlag, seine Muskeln verkrampften, er kippte zur Seite und verlor das Bewusstsein.

44
    OBWOHL IHRE HÄNDE fast vollkommen taub waren, spürte Joy, wie an einer von ihnen etwas Warmes herablief, über die Finger rann und schließlich zu Boden tropfte. Blut. Sie hatte sich an der scharfen Kante geschnitten. Egal. Weitermachen. Es konnte nicht mehr viel fehlen.
    Trotzig drückte sie das Plastikband gegen die Kante, schabte auf und ab und ignorierte einfach, dass immer mehr Blut über ihre Hände rann. Und dann passierte es endlich: Die Fessel riss entzwei, ihre Hände waren frei. Sie betrachtete ihre Wunde. Ein Schnitt im linken Handballen. Sah schlimmer aus, als er war. Sie entfernte den Knebel aus ihrem Mund und atmete tief durch. Jetzt waren die Fußfesseln dran. Da sie noch immer kaum Gefühl in den Fingerspitzen hatte, brauchte sie mehrere Versuche, um den Kabelbinder zu lösen. Doch es gelang.
    Aber wie sollte sie sich von der Kette befreien? Mareike hatte ganze Arbeit geleistet. Die Kette war an einem Ende fest um die Rohre des Heizkörpers geschlungen und mit einem Schloss fixiert, und am anderen in gleicher Weise um ihre Taille. Die Schlösser würde sie nicht abkriegen, keine Chance. Die einzige Möglichkeit war die Kette abzustreifen. Sie hielt die Luft an, machte die Hüften so schmal wie möglich, und es fehlte auch nicht viel, aber es ging nicht.
    Okay, dachte sie kühl, besondere Situationen verlangen besondere Maßnahmen. Sie löste den Gürtel, knöpfte die Hose auf und schob sie bis zu den Knien hinab. Die Kettenglieder schrammten über ihre Hüften, schürften Haut ab und hinterließen blutende Spuren, doch es funktionierte. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien vor Erleichterung. Sie war frei! Aber sie verkniff sich die Freudenrufe. Nachdem sie die Kette ganz los war, zog sie hastig die Hose hoch. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren.
    Als sie sich erhob, trat sie versehentlich auf ein Stück Rohr, es rollte unter ihrem Fuß weg, sie verlor das Gleichgewicht und stieß gegen die Rohre, die an der Wand lehnten. Polternd und klingend fielen sie um und veranstalteten ein wildes Konzert. Nicht genug damit, beim Sturz schlug ihr Knie hart auf Eisen, ein heftiger Schmerz fuhr durch sie hindurch. Es fühlte sich an, als könnte sie nie mehr aufstehen.
    Nein!
    Wie sollte sie so Sascha helfen, wenn sie nicht mal laufen konnte?

45
    ALS SASCHA WIEDER zu sich kam, brauchte er ein wenig, um die Situation zu erfassen. Er lag auf dem Bauch, die Arme auf dem Rücken. Gefesselt. Warum? Von wem? Es fiel ihm wieder ein: der Bauwagen. Mareike. Etwas wie ein

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