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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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sie mit der Cola auch ihren Tod trank. Es gab sowieso noch zig andere Möglichkeiten, wie Mareike sie umbringen konnte. Sie wieder mit dem Elektroschocker betäuben und ihr das Gift einflößen, zum Beispiel. Oder sie erwürgen. Oder ihr den Schädel einschlagen. Oder sie einfach hier liegen lassen. Vielleicht kam so was ja noch. Aber gestern hatte sie es nicht getan. Obwohl sie irgendetwas vorgehabt hatte, je öfter sie darüber nachdachte, desto überzeugter war sie davon. Was also hatte sie gerettet, zumindest für diese eine Nacht? Sie wusste es nicht.
    Eine Stimme drang zu ihr. Nicht so laut, dass sie hätte verstehen können, was gesprochen wurde, aber laut genug, um sie zu erkennen: Mareike. Sie erschrak. Sekunden später noch eine Stimme. Sie erschrak noch mehr. Eindeutig Sascha!
    Da löste sich ihre innere Lähmung, sie war schlagartig vollkommen klar im Kopf.
    Bestimmt hatte Mareike Sascha mit einer ähnlichen Masche hergelockt wie sie. Ahnungslos folgte er der Spinne nun in ihr Netz. Sie musste ihn warnen! Nur wie?
    Wütend über ihre Hilflosigkeit, zerrte sie an ihren Fesseln, doch alles, was sie erreichte, war, dass ihre Handgelenke sie noch mehr schmerzten. Schließlich sackte sie erschöpft in sich zusammen. Was sollte sie tun? Fieberhaft scannte sie den Raum nach irgendetwas, das ihr helfen konnte, sich zu befreien. Wenn sie wenigstens von diesem dummen Heizkörper loskäme, dann würde sie bestimmt etwas finden, mit dem sie die Kabelbinder an ihren Händen und Füßen durchtrennen konnte.
    Der Heizkörper. Vielleicht war er ja nicht so fest verankert, wie es aussah.
    Sie ließ sich nach hinten sinken und trat mit den Füßen dagegen. Einmal. Zweimal. Dreimal. Nichts. Das Ding saß bombenfest. Ihre Tritte machten noch nicht einmal genug Lärm, um draußen gehört zu werden.
    Da bemerkte sie, dass die Abdeckung an der Unterseite einige Kanten aufwies. Vielleicht waren die ja scharf genug, um ihre Plastikfesseln daran durchzuscheuern. Sie musste schnell machen. Jede Sekunde, die sie länger brauchte, konnte eine zu viel sein. Eine, die über Leben und Tod entschied.
    Sei bloß vorsichtig, Sascha, dachte sie, und nimm ja keine Cola an von diesem Miststück!

42
    »WO SIND WIR hier?«
    Obwohl die Bauruine ganz anders aussah, musste Sascha bei ihrem Anblick sofort an das Haus in dem alten Hitchcock-Klassiker
Psycho
denken. Sie wirkte auf ihre Weise genauso düster und gruselig.
    Mareike hatte den Roller gleich hinter dem Einfahrtstor zu dem Gelände stehen lassen und Sascha hierhergeführt.
    »Hier wollte mein Vater für uns bauen. Aber dann ist etwas passiert, und plötzlich wollte er nicht mehr. – Komm!«
    Er hatte erwartet, dass sie ins Innere der Ruine gehen würden, doch Mareike schlug den Weg zu einem alten Bauwagen ein, der ein Stück entfernt davon stand. »Was ist denn passiert?«, fragte er, während er einen halben Schritt hinter ihr folgte.
    »Erzähl ich dir gleich. Da drinnen«, sie deutete auf den Bauwagen, »hab ich mein kleines Reich. Wenn ich meine Ruhe haben will, verzieh ich mich hierher. Ich hab das bis jetzt noch niemandem gezeigt.«
    Der Bauwagen sah aus, als hätte er schon hundert Jahre auf dem Buckel. Sonne, Wind und Regen hatten die Farbe abblättern, das Holz morsch werden lassen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das ganze Ding in sich zusammenkrachte. Hoffentlich hält er wenigstens noch die nächsten ein, zwei Stunden durch, dachte Sascha. Eine kleine Treppe aus rostigem Metall führte zum Eingang hinauf. An der Tür hing ein schweres Zahlenschloss. Mareike nahm die Stufen mit einem Satz, entriegelte das Schloss und schob die Tür auf. Dann machte sie den Weg frei und ließ ihm den Vortritt.
    Er zögerte.
    »Was ist? Hast du Angst?«
    Sie lächelte auf eine Art, die sein Unbehagen eher größer als kleiner werden ließ. Dennoch stieg er die Stufen hoch und trat ins Innere des Wagens. Mareike folgte auf dem Fuß und zog die Tür sofort hinter sich zu. Sie brachte auch das Schloss an und ließ es einrasten.
    »Wieso schließt du uns ein?«
    »Damit uns niemand stört.«
    »Wer sollte uns in dieser Einöde schon stören?«
    »Weiß man nie. Setz dich!«
    Es gab nur ein kleines Fenster, durch das etwas Licht hereinfiel. Der Boden war ausgelegt mit Isomatten und Kissen. An den Wänden standen und lehnten mehrere Kartons und prall gefüllte Taschen; Bücher und Zeitschriften lagen herum, außerdem Pizzaschachteln, leere Flaschen, Klamotten und allerlei anderes. Sascha ließ

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