Stirb leise, mein Engel
Typen abblitzen lassen, der sie von da an richtig gestalkt hat. Vielleicht hat der ja was mitgekriegt.«
»Weißt du zufällig, wie er heißt?«
»Klar. Und wo du ihn findest, weiß ich auch.« Sie streckte seinem Spiegelbild die Schere entgegen und fuchtelte gefährlich damit herum, als sie hinzusetzte: »Und ich sag dir noch was: Auch wenn die Bullen ihm bis jetzt nichts nachweisen können, ich bin sicher, dass der Laila vergiftet hat. Hundertpro. Das ist voll der Psycho.«
ALS SIE IHN sah, wusste Joy sofort, dass er Lailas Stalker sein musste. Diese Typen sahen doch alle gleich aus: pickliges Gesicht, Ansatz eines Fettrings um die Hüften, blasse Haut, strähnige Haare. Er stand untätig bei den PC -Monitoren und wartete auf Kundschaft. Diese Gina hatte zwar behauptet, Moritz Brandstätter sähe eigentlich gar nicht schlecht aus, aber über Geschmack ließ sich nun mal nicht streiten. Bringen wir’s hinter uns, dachte sie und schritt beherzt auf ihn zu.
Als der Typ sie kommen sah, hellte sich seine Miene auf, wahrscheinlich wetzte er innerlich schon die Messer. Ihr Blick wechselte zwischen seinem erwartungsfrohen Lächeln und dem Namensschild an seinem Hemd hin und her.
Felix Gast
, las sie schließlich – und drehte sofort ab. Also doch nicht ihr Mann. Menschenkenntnis und Vorurteil lagen manchmal wirklich verdammt dicht nebeneinander.
»Was haben wir denn da? Kann ich helfen, schöne Frau?«
Der junge Mann, in den sie bei ihrem abrupten Rückzugsmanöver beinahe hineingelaufen wäre, sah schon sehr viel besser aus. Obwohl ihr sein Ton nicht gerade gefiel. Irgendwie von oben herab, so als rede er mit einem Kind. Dabei war er höchstens ein paar Jahre älter als sie. Dann las sie den Namen auf seinem Ansteckschild.
Moritz Brandstätter
.
»Äh …, ja …, vielleicht …«, stotterte sie.
»Na, was ist denn?«, fragte er, wieder in diesem herablassenden Ton.
»Es geht um Laila. Sie war doch eine Freundin von dir, oder?«
Ein Ruck ging durch ihn hindurch, er erstarrte, und es kam Joy vor, als rassle vor ihr ein Rollladen runter. Alles an ihm wurde plötzlich kalt und abweisend.
»Lass mich in Ruhe. Ich muss arbeiten.«
Er eilte davon, doch sie blieb an ihm dran.
»Warte! Es ist alles ganz harmlos. Ich will dich nur was fragen!«
»Aber ich will nicht mit dir reden, klar?«
»Ich kannte Laila vom Sport. Bin ich froh, dass ich an dem Tag, als das mit ihr passiert ist, nicht da war, das kannst du mir glauben. Muss echt krass gewesen sein. Na jedenfalls, sie hat mir eine Woche davor eine DVD -Box geliehen.
Herr der Ringe
, alle drei Teile. Die Luxus-Edition mit jeder Menge Bonusmaterial.«
Moritz blieb endlich stehen, vor einem Regal mit Druckerpatronen, und tat so, als müsste er hier was ordnen. Aber er schob nur die Schachteln in ihren Fächern herum. »Und?«
Ein erster Sieg: Zumindest war er bereit, ihr zuzuhören.
»Die Box gehörte eigentlich nicht ihr, sondern ihrem Freund. Ich würde ihm die DVD s gerne zurückgeben, aber ich weiß nicht, wie ich ihn finde.«
Diese Geschichte hatte sich Schlaukopf Sascha ausgedacht.
Moritz hielt plötzlich die Hände still und wandte Joy das Gesicht zu. »Ihrem Freund? Du meinst jemanden, mit dem sie fest zusammen war?«
»Keine Ahnung, kann sein. Der Name Tristan ist mal gefallen, aber ich weiß nicht …«
Moritz schüttelte heftig den Kopf. »Tristan? Nie gehört.« Seine Blicke huschten flink wie Ameisen ein paarmal an Joy auf und ab, ehe er sich in die Brust warf und mit fester Stimme sagte: »Laila hatte keinen Freund. Hundertpro nicht.«
Okay, dachte sie, jetzt will er mir imponieren. Gut so. »Und warum bist du da so sicher?«
»Weil sie überhaupt nicht fähig war, jemanden zu lieben. Sie war so eine, die unglücklich sein musste, um glücklich zu sein.«
Alles klar, dachte Joy. Weil er bei ihr nicht landen konnte, stand natürlich fest, dass Laila unfähig war zu lieben.
»Sie hat jeden, der sich um sie bemüht hat, am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Und selber ist sie auch verhungert, weil sie nur das Unmögliche gereizt hat. In den Chef verliebt sein oder in den Vater einer Freundin oder so ein Quatsch halt. Es gibt nichts, das reizvoller wäre als das Unerreichbare. Das ist der ganze Trick.«
»Trick? Was meinst du mit Trick?«
»Na ja, so wie es halt funktioniert. Du glaubst nicht, wie manche Leute sich da reinsteigern können.«
»Und du?«
»Ich? Nee du, so Spielchen sind mir zu dumm.«
Aha, dachte Joy, und auf was
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