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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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für Spielchen steht Moritz Brandstätter?
    »Sie ist damit ja auch nicht glücklich geworden. Ich meine jetzt nicht bloß, weil sie einer vergiftet hat. Sie hat eine Therapie gemacht. Hatte wohl Depressionen oder so. Aber das war natürlich ein Megageheimnis.«
    Das war ja sehr interessant. »Und woher weißt du davon?«
    »Man hat halt seine Quellen.« Er zwinkerte ihr zu.
    Er war Laila anscheinend wirklich, ganz so wie Gina behauptet hatte, überallhin nachgestiegen und hatte so ihr Geheimnis entdeckt. Doch die Sache mit der Therapie beschäftigte sie.
    »Hat dir deine Quelle zufällig auch geflüstert, wie ihr Therapeut hieß?«
    Moritz verengte die Augen, zwischen seine zusammengezogenen Brauen kerbte sich eine tiefe Furche. »Wieso willst du das wissen? Glaubst du vielleicht, dem gehört der
Herr der Ringe

    Herr der Ringe?
, dachte sie. Wie kommt er jetzt darauf? Dann erst fiel ihr ihre eigene Legende wieder ein. Die vermeintliche DVD -Box. Sie lachte, vielleicht ein bisschen zu laut und ein bisschen zu angestrengt, aber das war nicht mehr wichtig. Im Großen und Ganzen hatte sie alle ihre Fragen gestellt und irgendwie auch das Gefühl, die Antwort auf die letzte schon zu kennen. »Ich bin nur neugierig«, sagte sie leichthin. »Aber jetzt muss ich auch los.«
    »Ist aber nicht die feine Art, jetzt einfach so abzuhauen. Du hast mir nicht einmal deinen Namen gesagt.«
    »Sabine.«
    »Du kannst mir ja deine Handynummer dalassen, Sabine, falls ich doch noch was über diesen Tristan höre.«
    Netter Versuch, dachte Joy, aber sie hatte keinen Bedarf an Stalkern. »Sorry, aber ich hab einen Freund, und der hat es nicht so gerne, wenn ich anderen Männern meine Handynummer gebe. Ist nur zu deinem eigenen Schutz. Er ist total eifersüchtig. Und ziemlich kräftig gebaut.«

[zurück]
     
    ICH KANN ES mir nicht oft genug ansehen. Aber je öfter ich es sehe, desto mehr entzieht es sich mir. Das Eigentliche, meine ich. Das, was da geschieht. Sie röcheln, sie stöhnen, sie stammeln, sie schreien. Sie haben Schmerzen. Aber noch größer ist ihre Angst. Ihre Gesichter verzerren sich, ihre Augen werden riesengroß; und dann brechen sie, und alles verwandelt sich. Sie verwandeln sich. Alina. Natalie. Ich verwandle mich auch. Jedes Mal war ich danach total anders. Als wäre etwas von ihnen auf mich übergegangen. Aber verstehen kann ich es trotzdem nicht.
    Jetzt kommt die Stelle, an der meine Hand ins Bild greift und das Gesicht berührt. Während ich mir dabei wie jemand Fremdem zusehe, spüre ich auf meinen Fingerspitzen wieder, wie es sich angefühlt hat. Wie Wachs, das hart wird. Schon in diesen Sekunden beginnt der Verfall. Die ganze Schönheit geht dahin.
    Ich muss weg. Raus. An die frische Luft.
     
    ES IST KALT geworden. Die ersten Schneeflocken treiben im Wind. Eine strandet in meinem Gesicht. Schmilzt. Noch eine. Ich berühre die feuchten Stellen, die sie auf meiner Wange hinterlassen. Kalt und warm zugleich. Ich wische sie weg.
    Sarah. Alina. Natalie. Laila.
    Ich bin kein durchgeknallter Serienkiller. Keiner von diesen Verrückten, wie man sie in Filmen sieht. Die sich an so was aufgeilen. Es macht mich irgendwie high, das schon, aber nicht so. Darum geht es nicht. Ich muss was richtigstellen. Und ich muss mich wehren. Ich kann das doch nicht einfach stehen lassen, was die mit mir machen. Mich wegschieben, während sie … zusammen sind. Hätte es immer so weitergehen sollen?
    Sie konnten nichts dafür? Sie haben nur gemacht, was sie halt so machen? Das ist ja das Schlimme: Alle machen einfach das, was sie machen, und keiner sieht, was er damit anrichtet. Keiner sieht die Schmerzen, das Leid, die Ungerechtigkeit. Es gibt nur Täter oder Opfer. Wieso soll ich immer Opfer sein?
     
    VOR MIR STEHT ein Geist. Er sieht aus wie ein cooler Junge, trägt ein Basecap und eine Jacke, und zwischen seinen Fingern hängt eine Kippe. Nein, Moment, das bin ja ich selbst. Meine Spiegelung in der Fensterscheibe. Über Tannenzweigen, Kerzen, Christstollen. Die Bäckerei, die kenne ich. Drinnen, hinter dem Tresen, langweilt sich eine junge Verkäuferin. Sie sieht mich an. Was sie wohl sieht?
    Tristan. Aber das ist nur ein Name.
    Sarah. Alina. Natalie. Laila. Auch nur Namen.
    Ein Name fehlt noch.
    Nein, süße Bäckereiverkäuferin, hab keine Angst, es ist nicht der deine.
    Aber wenn dieser Name auch durchgestrichen sein wird, was dann? Wie geht es dann weiter? Wohin führt dann der Weg?

21
    SASCHA SCHLUG DAS Physikbuch zu. Genug

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