Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
Vom Netzwerk:
natürlich wissen, was los ist. Nicht, um ihr irgendwas zu verbieten. Wir haben uns gefreut, dass sie endlich mal rausgeht. Aber sie hat alles geleugnet.« Er schaute auf. »Als Eltern weiß man ziemlich genau, wann das eigene Kind lügt. Und Sarah hat gelogen. Sie hatte jemanden. Aber gemeldet hat sich der Typ bisher nicht.«
    Er warf seine bis auf den Filter heruntergerauchte Kippe weg und zertrat sie wie ein lästiges Insekt. Ohne hinzusehen, zog er eine Schachtel aus der Jackentasche und nahm eine neue Zigarette heraus. Dabei betrachtete er Sascha und Joy mit einem prüfenden Blick. »Warum wollt ihr das überhaupt wissen? Worum geht es hier? Hat dieser Tristan noch eine CD von euch, oder was?«
    Sascha machte einen halben Schritt auf Rüdiger Hertz zu. »Es sind in diesem Sommer noch andere Mädchen gestorben, durch Zyankali, genau wie Sarah. Eine davon war eine gute Freundin von mir. Wir glauben, dass dieser Tristan das Gift beschafft hat.«
    Rüdiger Hertz zündete seine Zigarette an, sog den Rauch tief in die Lungen. »Überlass das lieber der Polizei, Junge. Die ist dafür da, so was aufzuklären. Und was hilft es dir zu wissen, ob dieser oder jener das Gift beschafft hat. Es wird dir deine Freundin nicht mehr zurückbringen. Genauso wenig wie uns unsere Sarah.«
    Das nicht, dachte Sascha, aber irgendwie hilft es einem trotzdem, die Wahrheit zu kennen.
    »Sarah hatte Depressionen. Das hat sie umgebracht. Depressionen – das ist eine Krankheit. Eine Krankheit der Seele. Hat ihr Therapeut uns erklärt. Ein richtig guter Mann. Ein Fachmann. Der muss es doch wissen, oder?«
    Stumm atmete er den Rauch seiner Zigarette ein und aus, sein Blick klebte dabei wieder am Boden. Sascha verstand den armen Mann nur zu gut. Depression, Krankheit – das waren Worte, an denen man sich festhalten konnte; an denen das Fragen aufhörte. Scheinbar. Solche Worte waren ihm auch hingehalten worden. Pflicht. Aufopferung. Das Gute. Wohlmeinende Tröstungen, wo es keinen Trost gab. Deshalb hörte das Fragen nie auf. Nie. Warum meine Tochter? Warum mein Vater? Darauf gab es nun mal keine befriedigende Antwort. Das Schicksal war blind. Blind und dumm.
    »Eine Zeit lang war Sarah richtig gut drauf«, begann Rüdiger Hertz schließlich wieder. »Na ja, für ihre Verhältnisse eben. Dr. Androsch hat getan, was er konnte. An ihm lag es nicht. Aber Sarah war auf Dauer wohl nicht zu helfen.«
    Sascha horchte auf. »Dr. Androsch? Bei dem war sie in Behandlung?«
    »Ja. Das ist aber schon eine Weile her. Kennst du ihn?«
    Sascha nickte.
    Plötzlich rief Rüdiger Hertz zum Bolzplatz hinüber: »Maxi! Jetzt komm endlich! Du musst noch Hausaufgaben machen!«
    Ein Junge kam herangelaufen, total außer Atem. Sieben, vielleicht acht Jahre alt, schätzte Sascha. Rüdiger Hertz schnippte die Zigarette weg und ging mit seinem Sohn ins Haus, grußlos.
    Nachdenklich blieben Sascha und Joy zurück.
    »Schon komisch«, sagte Sascha nach einer Weile. »Natalie, Alina und auch Sarah – alle waren sie bei Androsch in Behandlung.«
    »So ein großer Zufall ist das auch wieder nicht«, wandte Joy ein. »Du hast doch gesagt, dass er
der
Spezialist für Kinder und Jugendliche ist. Und diese Mädchen hatten schließlich alle Probleme. Außerdem waren Alina und Natalie lange dicke Freundinnen, da ist es doch klar, dass sie auch zum selben Psychodoktor gehen.«
    Damit hatte sie natürlich recht.
    Auf dem Rückweg zur S-Bahn-Station rekapitulierte Sascha, was sie bis jetzt herausgefunden hatten.
    »Alle drei Mädchen waren bei Androsch in Behandlung und starben durch dasselbe Gift. Und alle drei hatten vor ihrem Tod einen geheimnisvollen Freund.«
    »Kann alles Zufall sein«, meinte Joy. »Aus dem Freund ein Geheimnis zu machen, ist in dem Alter doch nichts Besonderes.«
    »Sicher. Aber mal angenommen, es war immer derselbe Typ …«
    »Selbst wenn, wie passt der Mord da rein?«
    Ihre Worte waren kaum verklungen, als Sascha abrupt stehen blieb. Ein Gedanke war in seinem Kopf aufgeblitzt und wie ein Stromschlag durch seinen ganzen Körper gefahren.
    Joy blieb nun auch stehen und wandte sich um. »Was ist?«
    »Vielleicht gehen wir von den falschen Voraussetzungen aus«, sagte er aufgeregt. »Was, wenn wir es hier nicht mit drei Selbstmorden und einem Mord zu tun haben, sondern in Wahrheit mit vier Morden?«
    Joy sah ihn aus großen Augen an. »Aber … die Mädchen haben doch alle Abschiedsbriefe geschrieben. Und die Polizei hat nichts gefunden, was auf Mord

Weitere Kostenlose Bücher