Stirb, mein Prinz
»Hör zu, Gesetzgeber –«
Glass schnitt ihr das Wort ab. »Das ist unnötig. Hier sind wir vollkommen sicher. In diesem Raum hört uns garantiert niemand zu. Rede ruhig offen. Jetzt geht es um Schadensbegrenzung. Vorschläge?«
Erneut machte Lynn Anstalten, etwas zu sagen, doch die Worte wollten nicht kommen. Es war offensichtlich, dass sie nicht klar denken konnte. Ihr Blick glitt über die Tischplatte, dann zu Boden. Ganz genau , dachte Glass. Schämen solltest du dich . Er schüttelte den Kopf. Wandte sich von ihr ab. Zu nichts zu gebrauchen. Hätte uns beinahe verra ten. Dabei hatte ich so große Hoffnungen in sie gesetzt. Aus und vorbei.
»Du hattest vorgeschlagen, ihnen Gärtner zu liefern«, sagte Fenton. »Du warst der Meinung, das würde die Aufmerksamkeit von der Lieferung ablenken, die wir heute Abend erwarten. Ist das immer noch eine Option? Inwiefern hat sich die Lage durch das hier verändert?«
Glass wandte sich an Lynn. »Was hat er zu dir gesagt?«
Ein müder, resignierter Seufzer. »Das habe ich doch schon erzählt …«
»Dann erzähl es mir noch mal.«
»Er hat gesagt: ›Sag mir, wo der Gärtner ist.‹ Er hat gesagt …« Erneut seufzte sie. Es war alles so anstrengend. »Er sagte … mehr nicht. Bloß das: ›Sag mir, wo der Gärtner ist. Sag mir, wo er ist, damit wir ihn aufhalten können.‹«
»Das ist alles? Mehr nicht?«
Sie wollte etwas sagen, verbiss es sich aber. Stattdessen schüttelte sie den Kopf. »Nein.« Sie klang verschreckt, als hätte ihre Stimme sich vor Angst ganz klein zusammengerollt.
Glass musterte sie. »Du lügst. Sag mir die Wahrheit.«
Fenton lehnte sich über den Tisch. »Red nicht so mit ihr …«
Glass hob rasch den Kopf, seine Augen blitzten. »Sei still.«
Fenton registrierte den Blick. Verstummte.
»Was hat er sonst noch gesagt?«
Noch ein Seufzer, als trüge sie die Last der ganzen Welt auf ihren Schultern. »Er … er hat … mich Lehrer genannt …«
Die anderen beiden ließen sich auf ihren Stühlen zurückfallen.
»Du lieber Gott …« Fentons Hand flog an seinen Mund.
»Er hat gesagt … dass er über die Ältesten Bescheid weiß …«
Glass hatte das Gefühl, als würde alles im Raum abwechselnd ganz klein und ganz groß werden, so als blicke er zeitgleich durch beide Enden eines Teleskops. Er versuchte, die Illusion wegzublinzeln. Konzentration. Fokus.
»Das war’s«, verkündete Fenton. »Es ist vorbei. Besser, wir tauchen sofort unter.« Er machte Anstalten aufzustehen.
»Nein.« Glass lehnte sich über den Tisch und fasste ihn am Handgelenk. Zog ihn zurück auf seinen Stuhl. »Wir halten zusammen. Wir überlegen uns eine Lösung.«
»Aber sie wissen über uns Bescheid …«
»Nein, das tun sie nicht.« Glass schüttelte den Kopf. »Das kann gar nicht sein. Wenn, dann hätte ich davon gehört. Ich hätte etwas mitbekommen. Und ich habe nichts mitbekommen.«
»Aber er wusste es …«
»Ja, er wusste es«, wiederholte Glass. »Aber das bedeutet nicht, dass er alles weiß.« Wieder sah er zu Lynn. Nahm ihr Kinn zwischen die Finger, hob ihr Gesicht an und sah ihr direkt in die Augen. »Hat er die Lieferung erwähnt? Heute Abend? Hat er irgendwas darüber gesagt?«
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die nötige Konzentration aufbrachte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein …«
»Bist du sicher?« Er suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen für eine Lüge.
Erneut schüttelte sie den Kopf. »Nein … er hat nichts gesagt.«
»Gut.« Glass ließ ihr Kinn los, und ihr Kopf fiel wieder nach vorn. »Gut.« Er lehnte sich zurück und überlegte. Dann beugte er sich vor. »Folgendes. Wir halten uns an den Plan.«
»Aber …«
»Hört mir zu. Wir halten uns an den Plan. So wie ursprünglich vorgesehen. Wo ist Gärtner? Im Bauernhaus?«
»Ich vermute es«, sagte Fenton. »Das ist sein zweites Versteck.«
»Dann wird er den Opferritus dort vollziehen. Gut. Alles klar.« Er nickte bedächtig. »Folgendes wird passieren: Ich werde dem Team verkünden, dass ich einen Tipp bekommen habe. Dass sich Gärtner in besagtem Bauernhaus aufhält. Dann werde ich zusammen mit einem bewaffneten Sondereinsatzkommando dorthin fahren. Wir werden das Haus stürmen und ihn ausschalten.«
»Aber … ist das nicht gefährlich?«
Glass lächelte düster. »Für ihn vielleicht. Ich werde ebenfalls bewaffnet sein. Und sicherstellen, dass er nicht überlebt. Wir retten den Jungen, kommen zurück in die Stadt, und alle sind glücklich. In der
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