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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Die ursprüngliche Bausubstanz war größtenteils erhalten geblieben, es gab gute Restaurants, Bars und Pubs und kleine, aber feine Möbelboutiquen. Er und Marina waren ein paarmal sonntags zum Mittagessen hergefahren und hatten Einrichtungsgegenstände für ihr neues Haus gekauft. Die meisten Geschäfte, in denen sie gewesen waren, gab es noch. Lediglich ein paar mehr Ladenlokale standen leer, und hier und da hatte ein weiterer Wohltätigkeitsladen eröffnet. Phil sah, wie Marina sich umschaute.
    »Wir müssen mal wieder am Wochenende herkommen«, meinte er.
    Sie nickte. »Wenn das alles hier vorbei ist.«
    »Ja. Wenn das alles hier vorbei ist.«
    Sie verließen das Stadtzentrum und fuhren den Hügel hinunter in Richtung Halstead Manor Hotel. Phil hielt auf der Kieszufahrt. Johnny Cash sang, dass es schwer war, den Regenbogen zu sehen, wenn man so eine dunkle Brille trug wie er. Phil schaltete die Musik aus. Sie sahen sich an.
    »Bereit?«, fragte Phil.
    »Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?«, fragte Marina. »Einen unzurechnungsfähigen Obdachlosen zu fragen, was hier vor sich geht?«
    »Hoffen wir es«, meinte er.
    »Bist du sicher, dass er nicht der Mörder ist?«
    »Wenn er es wäre, hätte ich ihn dann nicht verhaftet?«
    Marina hob die Schultern. »Keine Ahnung. Die letzten paar Tage konntest du nicht klar denken.«
    Phil seufzte. »Ich weiß. Aber ich habe ihn mir angesehen. Ich habe ihm in die Augen gesehen. Er ist es nicht, Marina. Er ist gestört, ja. Verwirrt. Aber kein Mörder. Er wollte, dass der Garten ein Ort der Heilung ist. Ein Ort des Friedens.«
    »Und sieh dir an, was daraus geworden ist.«
    »Gehen wir.«
    Sie stiegen aus. Da sie mit Regen gerechnet hatten, waren sie dem Wetter entsprechend gekleidet: Jeans, Stiefel, wasserdichte Jacken. Phil holte eine Taschenlampe aus dem Kofferraum. »Hier entlang.«
    Sie gingen los, hinten um das Hotel herum und den Abhang hinunter zum Fluss. Phil leuchtete ihnen mit der Taschenlampe den Weg. Er sah Spuren im Boden.
    »Jemand ist hier gewesen«, stellte er fest.
    »Hier ist ein Mord passiert«, gab Marina zurück. »Bestimmt sind eine Menge Leute hier herumgetrampelt.«
    »Nein«, sagte Phil und deutete auf den Pfad vor ihnen. »Schau mal. Das sind frische Fußabdrücke. Frische Spuren. Es kann noch nicht lange her sein, dass jemand hier war.«
    »Ist das gut?«, fragte Marina.
    »Wenn es Paul ist«, meinte Phil, »dann schon.«
    »Und wenn nicht?«
    »Hoffen wir einfach, dass es Paul ist.«
    Sie nahmen den Weg, den Phil in Erinnerung hatte. Im Dunkeln war er nicht leicht zu finden, und der Regen erschwerte das Vorankommen zusätzlich. Wo man zuvor sicheren Halt gehabt hatte, war jetzt nur noch Schlamm. Zweige und Bäume nutzten die Nacht als Tarnung, um ihnen ungesehen ein Bein zu stellen. Sie mussten sich aneinander festhalten und sich gegenseitig die Böschung hinunterhelfen.
    »Hier ist es«, verkündete Phil schließlich, als sie das Flussufer erreicht hatten. »Glaube ich wenigstens.«
    Er schwenkte die Taschenlampe herum. Lauschte. Kein Laut bis auf den Regen, der auf Wasser und Laub prasselte. Wie heißes Fett in der Pfanne oder anhaltendes Maschinengewehrfeuer.
    Am schlammigen Ufer fiel der Lichtkegel der Lampe auf einen großen dunklen Bereich in der Böschung.
    »Da.«
    Sie gingen auf den Höhleneingang zu.
    »Das ist es?«, sagte Marina, als sie davor stehen blieben. »Der Mann, der den Garten gegründet hat, lebt da drin?«
    »Wenn er nicht gerade in einem seiner anderen Häuser ist. Sie sind überall in der Stadt verstreut und gehören alle dem Garten, sind aber inzwischen verfallen.«
    Sie nickte. »Allein über diesen Mann könnte ich eine ganze Doktorarbeit schreiben.« Dann spähte sie ins Höhleninnere. »Sieht einladend aus. Und was machen wir jetzt, rufen wir ihn? Legen wir etwas zu essen als Köder aus?«
    »Wohl eher Whisky«, meinte Phil. Er leuchtete mit der Lampe in die Höhle und ging hinein.
    »Sei bloß vorsichtig.«
    »Bin ich.« Er ging weiter. »Ich glaube, es war jemand hier«, rief er nach draußen.
    Marina hörte seine Stimme in der steinernen Öffnung widerhallen.
    »Ich glaube –«
    Phil stieß einen Schrei aus. Gleich darauf Rutschen und Poltern. Dann Stille.
    »Phil? Phil!« Laut rufend rannte Marina in den Höhleneingang. Angst überkam sie. »Phil … Phil!«
    »Alles … in Ordnung …« Seine Stimme klang verzerrt, wie ein Echo aus weiter Ferne.
    »Wo bist du? Phil?«
    »Ich … Geh bloß nicht weiter

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