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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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heilt wieder.«
    Noch immer sprach er kein Wort. Allerdings schien er keine größeren Schmerzen zu haben. Er betrachtete den Schlauch, der zu seinem Handrücken führte. Runzelte die Stirn. Wollte mit der anderen Hand danach greifen.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du den drinlässt«, sagte Marina mit warmer, aber fester Stimme. »Der Schlauch versorgt dich mit Nahrung. Damit du groß und stark wirst.«
    Die Hand des Jungen fiel zurück auf die Bettdecke.
    »Es ist ein bisschen unangenehm, aber so fühlst du dich bald besser, glaub mir.« Noch ein ermutigendes Lächeln. »So ist es gut.« Marina beugte sich zu dem Jungen vor. Sie drang nicht in seine persönliche Distanzzone ein, sondern signalisierte lediglich, dass sie an ihm interessiert war. »Also, jetzt habe ich dir meinen Namen gesagt. Marina. Warum sagst du mir nicht deinen?«
    Der Blick des Jungen ging zwischen den drei Frauen hin und her.
    »Wir tun dir nichts. Aber es wäre schön, wenn ich wüsste, wie ich dich ansprechen soll, findest du nicht?«
    Wieder huschte der Blick des Jungen durch den Raum, doch seine Angst schien sich allmählich zu legen. Er sah aus, als wäge er ab, ob er den Frauen vertrauen konnte oder nicht. Dann begann er die Lippen zu bewegen. Zunächst hielt Anni es für eine weitere unbewusste Angstreaktion, aber dann wurde ihr klar, dass er versuchte, Laute zu bilden. Wörter.
    Sie wartete gespannt und wagte nicht, sich zu rühren, während sich der Mund des Jungen verzog.
    »Fff …« Seine Schneidezähne waren verfault. Er schien Schmerzen zu haben, als er sich auf die Unterlippe biss, um den Laut hervorzubringen. »Fff … Ffinnn …«
    Sie warteten. Mehr kam nicht.
    »Finn?«, wiederholte Marina. »Du heißt Finn?«
    Erneut huschte sein Blick von einer zur anderen. Dann ein kaum merkliches Nicken.
    Anni stieß den Atem aus. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn angehalten hatte. Verstohlen blickte sie zu Marina, sah Freude und Triumph in ihren Augen aufblitzen.
    »Also dann: Hallo, Finn«, sagte Marina, immer noch lächelnd. »Schön, dich kennenzulernen.«
    Ein Teil seiner Anspannung schien von dem Jungen abzufallen. Sein Mund zuckte immer noch bei dem Versuch, weitere Wörter zu formen oder das erste zu wiederholen.
    »Ffinn … Finn …«
    »Sehr gut«, lobte Marina wie eine Lehrerin, die einen Schüler ermutigen wollte. »Und woher kommst du, Finn?«
    Mehr angestrengtes Grimassieren. »Ddem … Gah … tn …«
    Anni und Marina sahen sich ratlos an. »Aus dem Garten?«, fragte Marina. »Ist das richtig? Du kommst aus dem Garten?«
    Wieder flackerte sein Blick nervös hin und her, dann nickte er.
    Garten , dachte Anni. In ihrem Kopf begann es fieberhaft zu arbeiten. Sie durchsuchte ihr inneres Rolodex auf den Namen hin. Kinderheime, Waisenhäuser, betreutes Wohnen, jugendpsychiatrische Einrichtungen, Jugendhaftanstalten – alles, was irgendwie passen könnte … Der Garten … Ihr fiel nichts ein.
    Marina wollte gerade eine weitere Frage stellen, als Finns Lippen sich erneut bewegten. Also schwieg sie stattdessen und wartete geduldig ab.
    »Mmm … mmu … tter … Mut … ter …«
    »Mutter?«, sagte Marina. »Deine Mutter?«
    Wieder ein Nicken.
    »Was ist mit deiner Mutter? Ist sie … Sucht sie nach dir?«
    Finn zog die Brauen zusammen. Ein Schatten legte sich über seine Züge. Erneut verzog er den Mund. »Gäh … Gäht … ner …«
    »Gärtner?«, sagte Marina. »Ist deine Mutter Gärtnerin?«
    Finn schüttelte heftig den Kopf. »Nnnn … nnein …«
    Die Dunkelheit war in seine Augen zurückgekehrt. Und die Furcht.
    »Deine Mutter«, hakte Marina nach, um ihn von seinen unguten Gedanken abzulenken. »Erzähl mir von deiner Mutter, Finn. Ist sie … ist sie im Garten? Können wir sie da finden?«
    Erneut riss Finn die Augen auf. Seine Furcht wich, und er nickte.
    »Gut. Und wo ist der Garten, Finn?«
    Sein Mund zuckte. Er suchte nach Worten.
    Sie warteten.
    Bis plötzlich Marinas Handy klingelte.
    Mit einem Aufschrei fuhr Finn zusammen und presste sich erneut gegen das Kopfteil seines Betts.
    »Ist schon gut«, sagte Marina. »Alles in Ordnung …« Innerlich fluchte sie. Sie stand auf und ging auf den Flur, um den Anruf entgegenzunehmen.
    Anni blieb währenddessen bei Finn. Sie versuchte, genauso zu lächeln wie vorhin Marina. Hoffte, dass es klappen würde. »Hey. Alles okay, Finn. Das war bloß ein Telefon.«
    Der Junge beruhigte sich nur langsam. Anni war perplex. Hatte er etwa noch nie ein Handy

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