Stirb, mein Prinz
dass jemand mit höherem Dienstgrad vonnöten war. Da Phil anderweitig zu tun hatte, blieb nur noch Mickey.
Auf dem Weg durchs Gebäude war ihm aufgefallen, dass dessen Inneres ebenso geschmackvoll gestaltet war wie das Äußere. Die Böden waren aus Holz, die Wände in neutralen Farben gehalten. Die Gemälde, die sie schmückten, stammten zweifellos von bekannten Künstlern, allerdings nicht so bekannt, dass sie übermäßig viel Geld gekostet, Galerieplatz beansprucht oder Raum auf der Feuilletonseite erhalten hätten. Die Büromöbel sahen ebenso teuer wie minimalistisch aus.
Im Erdgeschoss befand sich ein Steuerbüro, der erste und zweite Stock waren der Anwaltskanzlei Fenton Associates vorbehalten, und ganz oben, im beengten Dachgeschoss, saß eine Werbeagentur. In der Kanzlei herrschte Aufregung. Büroangestellte in Anzug und Kostüm, die sich normalerweise mit Tabellen und Akten beschäftigten, verrenkten sich neugierig die Hälse, um zu sehen, was beim Haus gegenüber vor sich ging. Kaum hatte Mickey die Kanzlei betreten, als sich die allgemeine Aufmerksamkeit sofort auf ihn richtete.
»Also, Detective Philips. Ihre uniformierten Kollegen befragen meine Mitarbeiter. Ich nehme an, das steht im Zusammenhang mit den Vorkommnissen dort drüben?« Sie zeigte aus dem Fenster.
»Ganz richtig.«
»Und was genau ist dort passiert?« Sie gab die Gesprächsführung nicht aus der Hand.
»Ich fürchte, das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen.«
»Ich bitte Sie, Detective Philips. Sie haben es hier mit Juristen zu tun.«
Mickey überlegte kurz. »Fenton Associates. Den Namen habe ich noch nie gehört.«
»Das ist nicht weiter verwunderlich«, gab Lynn Windsor zurück. »Wir sind auf Wirtschaftsrecht spezialisiert, nicht auf Strafrecht. Unsere Klienten kommen aus ganz East Anglia. Hauptsächlich börsennotierte Großunternehmen.« Erneut dieses Lächeln. »Wir verteidigen keine Drogendealer aus New Town.«
Mickey lächelte. »Dann muss das wohl der Grund sein, weshalb wir uns noch nie begegnet sind.«
»Muss wohl.« Sie setzte sich kerzengerade hin. Er bemühte sich, ihr nicht auf die Brüste zu starren. Ohne Erfolg. »Und was ist Ihr Tätigkeitsfeld, Detective Sergeant? Verbrecher jagen? Mördern das Handwerk legen?« Ihr Lächeln wurde breiter, neckischer. »Kapitalverbrechen aufklären?«
Mickey fühlte sich unwohl. Schon wieder hatte sie die Oberhand. Er glaubte zu spüren, dass er rot wurde. »So in der Art, ja.«
Sie hob eine Braue. »Weiterhin viel Erfolg dabei.«
»Äh, danke …« Mickey blickte auf seinen Notizblock. Versuchte, seine Unbeholfenheit zu überspielen. »Sie, ähm, Sie wollten mich sprechen, Ms Windsor?«
Sie lehnte sich zurück und lächelte. Dachte nach. Ihre Brüste waren wirklich groß, fiel Mickey auf. »Nennen Sie mich doch bitte Lynn. Sonst klingt es, als würden Sie mit meiner Mutter reden. Und wie darf ich Sie nennen …?«
»Mickey.« Rasch wandte er den Blick ab. Hoffentlich hatte sie nicht gemerkt, wie er sie anglotzte. Falls doch, gab sie es nicht zu erkennen.
»Also«, fasste sie zusammen. »Sie wollen, dass ich und meine Mitarbeiter Ihnen helfen, aber gleichzeitig weigern Sie sich, mir zu sagen, worum es geht.«
»Es tut mir leid …«
Ihr Lächeln erlosch, und sie wurde wieder sachlich. »Ich kann Ihre Haltung nachvollziehen, aber vielleicht sollten Sie die Sache auch von meiner Warte aus betrachten.«
Mickey wartete ab, was noch kommen würde.
»Was, wenn einer meiner Mitarbeiter etwas gesehen hat? Etwas, das ihn in Gefahr bringen könnte?«
»Hat denn jemand was gesehen?«
Lynn Windsor zuckte die Achseln. Mickey versuchte, nicht darauf zu achten, wie sich dabei ihre Brüste hoben und senkten. »Ich weiß es nicht. Womöglich können sie jemanden identifizieren, und dieser jemand könnte dann zurückkommen, um ihnen etwas anzutun. Oder sie könnten etwas sagen, mit dem sie sich unwissentlich selbst belasten, obwohl sie unschuldig sind?«
Mickey quittierte dies mit einem kleinen Lächeln. »Sie sehen zu viel fern.«
»Tatsächlich? Sie wollen also behaupten, dass so etwas im wahren Leben nicht vorkommt?«
»Nicht wirklich. Nicht so oft, wie Sie glauben.«
Sie ließ sich gegen die Lehne ihres Stuhls sinken, behielt ihn aber im Auge. Mickey kam sich vor wie auf dem Prüfstand. Als ob hinter ihrem Gespräch viel mehr steckte als die Worte an der Oberfläche. Leider hatte er keine Ahnung, was.
»Ich bin Anwältin, und Sie sind bei der Polizei«, fuhr sie fort.
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