Stirb mit mir: Roman (German Edition)
ein großes Hotel namens The White Swan, dessen Restaurant einst in der Lokalzeitung besprochen worden war. Es wäre schön, dort irgendwann einmal zu essen, dachte sie und wusste, dass sie es nie tun würde.
Hinter einem Sportwagen in tiefem Tomatenrot zwängte sie sich in eine Parklücke und warf einen Blick auf das Haus, in dem Mariani wohnte. Es hatte einen Namen – Laburnham House –, war groß und weiß und von einer kahlen, wildwuchernden Kletterpflanze eingerahmt. Cate tippte auf Goldregen oder Laburnum und vermutete, dass der Name des Anwesens daher rührte. Die weiße Farbe war makellos, und die Fensterscheiben glänzten.
Die Kannibalin von Suffolk: »Mein Opfer hat das Sterben genossen.« Wieder ging ihr dieser Satz durch den Kopf. Sie wischte die feuchten Handflächen an ihrer Hose trocken, bemühte sich um einen professionellen Gesichtsausdruck, umklammerte ihren Notizblock und verließ die Sicherheit ihres Wagens. Auf den Stufen zur Vordertür konnte sie in das Wohnzimmer spähen. Der Fensterrahmen schloss die Frau ein, die dort stand.
Fünf
Die Bewährungshelferin sollte eigentlich längst da sein. Gleich beginnt meine Geschichte. Sie hat sich verspätet, und ich hasse Unpünktlichkeit. Jede einzelne Handlung hat Folgen, das weiß ich. Mit solchen Treffen habe ich gerechnet, ebenso mit den Befragungen derer, die mich beurteilen sollen. Wer hat sie dazu berechtigt? Das würde ich sie gern fragen, unterlasse es jedoch jedes Mal. Mein Schicksal liegt in ihren Händen. Ich muss wachsam sein und auf das Spiel achten, das sie spielen. Wenn deine Macht begrenzt ist, hängt alles von der richtigen Strategie ab. Ich warte schon seit Langem auf die Beendigung dieser Sache, doch sie wird erst vorbei sein, wenn das Urteil gefällt ist. Neunzehn Tage muss ich noch durchstehen, dann ist endlich alles vorüber. Und jetzt hat sie sich verspätet, diese verfluchte Person.
Da, endlich ein Wagen. Ein typisches Gefährt für eine Frau, die keinen Wert auf Autos legt, ein Vehikel in stumpfem Grün mit eingedelltem Kotflügel. Sie fährt viel zu dicht an meinen MG Midget heran. Wenn sie ihn anboxt, verklage ich sie.
Nein, das ist Unsinn. Hier geht es um mehr als zerkratzten Wagenlack. Als sie aussteigt, atme ich auf. Sie passt zu ihrem Auto. Von jemandem, in dessen Händen meine Zukunft liegt, hätte ich mehr Präsenz erwartet. Trotzdem bin ich erleichtert, diese Frau wird nicht schwer zu steuern sein. Wie mittelmäßig sie ist: brünett, blasser Teint, ein abgetragener Wintermantel über einem blauen Hosenanzug, darunter eine weiße Bluse. Vorhersehbar. Smith hätte das Schlichte an ihr gefallen. Er hatte einen einfachen Geschmack, in allem. Ich war die Ausnahme.
Sie schaut zum Fenster hoch, wo ich stehe. Ich lächele.
Als ich die Tür öffne, achte ich auf ihre Reaktion. Meine Schönheit überrascht sie. Ich bin groß und blond und setze beides gern zu meinem Vorteil ein. Wäre sie ein Mann, hätte ich mich für einen Rock entschieden. Stattdessen trage ich eine Hose und mit Strass besetzte marokkanische Slipper. Das Haar habe ich zu einem Pferdeschwanz gebunden, und mein Make-up ist dezent. Wir geben uns die Hand, ihre ist ein wenig feucht. Auf ihrem Namensschild steht dasselbe wie auf ihrem Briefkopf: Cate Austin. Abgekürzte Namen finde ich gewöhnlich.
Ich führe sie in den rückwärtigen Teil des Hauses. Früher hat er aus zwei Zimmern bestanden, aber ich habe die Zwischenwand herausreißen lassen und mich für die Weite entschieden. An einem Ende ist eine große Küche eingebaut, die in den Essbereich übergeht. Am anderen Ende steht ein cremefarbenes Ledersofa an der Wand. Der Fußboden ist aus Schiefer, auf dem ihre flachen Absätze klacken. Der Esstisch wird von einer Vase voller Löwenmäulchen dominiert, die Blüten sind gelbrot, wie Feuer, wie der Sonnenuntergang.
»Schöne Blumen«, sagt sie. »Und was für eine wundervolle Vase.«
Mit einem Finger fährt sie über das Muster aus blauen und weißen Wirbeln. Die Vase ist mundgeblasen, ein zartes Gebilde, das sich trichterförmig öffnet, wunderschön und fragil.
»Danke. Sie war sehr teuer.«
Ihre Hand zuckt zurück.
Ich nehme die Vase und halte sie ins Licht, damit sie das feine Glas erkennt, das tiefe Meerblau, welches das weiße Glas durchzieht. »Sie ist mein liebster Gegenstand«, erzähle ich ihr. »Wenn sie zerbrechen würde, könnte ich sie nie mehr ersetzen.« Behutsam stelle ich die Vase zurück auf den Tisch vor den Glastüren,
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