Stirb mit mir: Roman (German Edition)
Geschmack. Einige der Holzhäuschen waren in Pastellfarben gestrichen, in den Fenstern hingen Gardinen, statt Gemüsereihen sah man eher Blumenbeete.
»Du lieber Himmel«, sagte Smith. »Wie aus einer Zeitschrift für Heimwerker und Gartenfreunde.« Während wir den Anblick auf uns wirken ließen, hörten wir hinter uns ein Schnauben.
Wir fuhren herum. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich ein schwarzes Tier, vermutlich ein Wildschwein. Für einen Moment geriet ich aus dem Tritt und dachte, es sei tatsächlich wild, dann erst erkannte ich den Maschendrahtzaun, der uns von dieser hässlichen Kreatur trennte.
»Ein Hängebauchschwein«, flüsterte Smith und stieß mich an. »Perfekt.«
Das Schwein war gut aufgelegt, steckte den Rüssel durch die Löcher des Zauns und versuchte, an meinem Rock zu nuckeln. Sein Speichel hinterließ einen dunklen Fleck auf dem Stoff. Ich schob das Schwein mit dem Knie fort, aber es war anhänglich und wollte gestreichelt werden. Hinter ihm stand eine winzige Holzhütte, mit einem selbstgebastelten Schild über dem Eingang, auf dem ›Boris‹ stand.
Boris fraß etwas vom Boden, schmatzte, kaute und zerbiss etwas Hartes. Dann beobachtete er uns mit schwarzen Triefaugen und sabbernder Schnauze. Auf seinem Rüssel und der Stirn wuchsen drahtartige schwarze Haare, die mich an Schamhaar erinnerten.
»Ich glaube, das kann ich nicht«, sagte ich.
Boris urinierte ausgiebig in den Schlamm seines Pferchs. Ich rümpfte die Nase.
»Stell dir vor, es sei eine Gabe«, sagte Smith, zog mein Küchenmesser aus der Jackentasche und wickelte das Trockentuch ab. »Eine Opfergabe.«
»Für dich?«
»Wenn du magst.« Smith betrachtete Boris und zeigte ihm die glänzende Stahlklinge, um zu sehen, ob das Schwein die Gefahr witterte. Das tat es nicht. »Oder für Gott.«
Ich riss ihm das Messer aus der Hand, denn ich wollte es hinter mich bringen. Herr im Himmel, dachte ich, das Ganze hat wirklich absurde Formen angenommen. Ein Schwein zu töten, bewies für mich gar nichts. Smith würde sich freiwillig opfern, das Schwein dagegen hatte weder ein Bewusstsein noch einen Willen oder eine Wahl. Es war nur ein dummes Tier.
Ich stieg über den Zaun, der gerade so hoch war, dass Boris nicht entkommen konnte. Für einen Menschen war er problemlos zu überwinden. Mit gezücktem Messer näherte ich mich dem zahmen Tier.
O Gott, wie es quiekte.
Ich wurde panisch, hatte Angst, jemand könnte uns sehen, und rammte das Messer in den Hals des Schweins. Ich spürte, wie es Haut, Knorpel und Fettschichten durchdrang und wo der Knochen begann. Anscheinend hatte ich eine Arterie getroffen, denn das Blut spritzte in einer Fontäne hervor. Ich war kurz davor, mich zu übergeben, doch das konnte ich nicht, denn Smith sah mir zu. Dies war mein Test, ich musste mich der Sache würdig erweisen.
Das Schwein kippte auf die Seite. Es lebte noch, sperrte die Schnauze auf und enthüllte schwarze Backenzähne. Ich zog das Messer aus seinem Hals. Dabei entdeckte ich die beiden Reihen Brustwarzen auf seinem Bauch und zielte mit dem Messer auf sein Herz. Das Schwein schrie wie ein Baby, dann war es vorbei. Ich ging in die Hocke. Mir war speiübel. Wer um alles in der Welt nannte eine Sau Boris?
»So«, sagte ich. »Ich habe es gemacht. Lass uns verschwinden.«
Ich stand so rasch auf, dass mir schwindelte, aber ich wollte nur noch weg. Mit einem Schritt war ich über den Zaun. Smith stand wie angewurzelt da und umklammerte einen Zaunpfosten.
»Ist was?«, fragte ich.
Ekelte er sich vor dem gewaltsamen Akt, den er gerade miterlebt hatte? War ich zu weit gegangen? Doch als er mich ansah, waren seine Augen dunkel und feucht. Er nahm meine verschwitzte Hand und legte sie auf seinen Schritt. Ich spürte seinen erigierten Penis, der sich gegen den dünnen Hosenstoff drückte, und wusste, weshalb er auf diese Weise empfand. Der Tod des Schweins hatte Smith das Gefühl gegeben, lebendig zu sein. Ich glaubte, das Tieropfer habe seinen Plan zu sterben besiegelt.
Später brachte ich Smith zum Bahnhof von Colchester und wartete mit ihm auf die Ankunft seines Zugs. Das Blut, das ich vergossen hatte, verband uns. Wir wollten nicht getrennt werden, nicht einmal für die wenigen Tage bis zu seiner Rückkehr. Ich berührte ihn und sprach ein paar beruhigende Worte, denn so würde er mich bis zu unserem nächsten Treffen in Erinnerung behalten. Zärtlich strich ich ihm über die Wange, streichelte die weiche Haut und spürte den unregelmäßigen
Weitere Kostenlose Bücher