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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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sicher gute zehn Jahre jünger war als die anderen Frauen. Einen kurzen dummen Moment lang geriet ich aus den Fugen, wollte aus dem Saal stürzen und weinen. Smith ging zu der improvisierten Bar, ein Tapeziertisch, auf dem Bierdosen und Wein in Pappkartons standen. Er kehrte mit einem Bier für sich und einem Glas warmem Wein für mich zurück. Der Wein schmeckte wie Essig.
    Wir setzten uns an einem Schultisch auf Klappstühle und beobachteten die Frauen, die zusammen tanzten, als seien sie auf einer Hochzeit. Männer waren kaum zu sehen.
    Smith kippte sein Bier hinunter und musterte mich stirnrunzelnd. »Woher willst du wissen, ob du es schaffst? Schließlich bist du Vegetarierin.« Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. Die Brille rutschte herunter.
    »Wir müssen auch sehen, ob du überhaupt in der Lage bist, einem anderen Schmerzen zuzufügen.« Er brüllte fast, um die dröhnende Discomusik zu übertönen, doch die Frauen waren so ins Tanzen vertieft, dass sie ihn nicht hörten.
    Ich konnte seine Sorge nachvollziehen. Er hatte Angst, als Vegetarierin könnte ich mich vor Blut und Fleisch ekeln. Sicher, ich lehnte den Verzehr von toten Tieren aus Gewissensgründen ab, aber darüber hinaus fand ich das Zerkauen von Fleisch ermüdend und zog schlichtes Gemüse vor. Das schmeckte nach nichts und ließ sich problemlos schlucken. Wenn ich doch einmal Fleisch aß, stieß es mir auf, und auch das mochte ich nicht. All das sagte ich Smith nicht, denn ich begriff, dass seine Sorge hinsichtlich der Details seine Art war, sich vorzubereiten.
    »Was schlägst du vor?«, fragte ich stattdessen. »Soll ich einem Huhn den Hals umdrehen?« Es sollte ein Witz sein. Mein Lachen passte zu der Stimmung im Saal, die Musik diente zur Untermalung.
    Smith kniff die Lippen zusammen und betrachtete mich mit regloser Miene.
    Ich trank den letzten Schluck Essigwein und umfasste seine Hand. »Was verlangst du von mir, Smith?«
    »Ich möchte dich testen.«
    Er sagte, es sei ihm wichtig, dass wir etwas taten, das uns verband. Wie Blutsbrüder. Wir entschieden uns für das Messer. Danach mussten wir nur noch ein Opfer finden. Im ländlichen Suffolk existieren noch zahlreiche Bauernhöfe, ein Teil davon im Besitz von ehemaligen Städtern, Angehörigen der Mittelschicht, die sich aus einer romantischen Laune heraus nach der Idylle sehnten, Schürzen von Laura Ashley trugen und Biomilch tranken. Zudem gab es am Ortsrand Schrebergärten, wo diejenigen ohne großen Garten hinterm Haus ein Stück Land mieten konnten, um etwas anzubauen oder ihre wenigen Ziegen oder Schafe weiden zu lassen. Etliche Ortsbewohner hielten auch Hühner, das wusste ich zur Genüge, denn wenn ich abends meine Ohrstöpsel vergaß, weckten mich in aller Herrgottsfrühe die Hähne.
    Angesichts unseres Plans machte sich Aufregung in Smith breit. Eilig verließen wir das Gemeindehaus und liefen zu mir, um ein Messer aus der Küche zu holen. Dann stiegen wir in meinen Wagen. Smith war dermaßen hibbelig, dass er sich nicht einmal mehr richtig anschnallen konnte. Ich tat es für ihn, als sei er ein Kind. Dankbar lächelte er mich an, mit einem Ausdruck verstohlener Freude. Offenbar gefiel es ihm, bemuttert zu werden.
    Auf den ersten Blick erinnerten die Schrebergärten mich an diejenigen aus meiner Kindheit. Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass sie mit Dads Schrebergarten nichts zu tun hatten. Er hatte sich einen einsamen Männerbereich geschaffen, mit einem altersschwachen Holzschuppen inmitten schnurgerade angelegter Gemüsebeete. Nach getaner Arbeit lehnte er sich gegen die Schuppenwand und betrachtete sein Werk. Ich begleitete ihn mitunter, um der Enge des Hauses zu entkommen, aber wenn ich sein zufriedenes Lächeln und die halb geschlossenen Augen sah, verspürte ich nichts als Langeweile. Möhren aus der Erde zu ziehen oder Tomaten zu pflücken wurde ich rasch leid. Mit Beginn der Pubertät begleitete ich Dad nicht mehr. Ich glaube, darüber war er froh.
    Im Vergleich zu dem Schrebergarten meines Vaters wirkten die am Rand von Lavenham wie entfernte Verwandte, die sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet hatten. Die Häuschen glichen eher Chalets, mit Glasfenstern und Holzveranden, Bänken aus Kiefernholz, darunter schicke Gummistiefel. Als wir ankamen, war es kurz vor neun Uhr abends. Das Tageslicht war verblasst, und man sah kaum noch Menschen. Anders als bei den Schrebergärten, die ich aus meiner Jugend kannte, dominierte hier ein weiblicher

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