Stirb mit mir: Roman (German Edition)
während sie eine Espressomaschine von Krupps erstand. Schließlich war ich nicht in Eile. Vielmehr war ich glücklich, denn ich hatte das Gesuchte gefunden. Es lag gut in der Hand, passte perfekt.
Es war ein teures Messer, kostete so viel, wie ich in einer Woche verdiente, aber das war es mir wert. Auf dem Aufkleber waren die Vorzüge aufgelistet, und ich las, dass die Klinge aus dreiundsechzig Lagen gehämmertem und gefaltetem Stahl bestand und sowohl hart als auch biegsam war. Abgesehen davon war es wunderschön.
Heißt das, man kann mich jetzt abhaken, wie die Sachverständigen es tun? Mich als verrückt oder abartig bezeichnen?
Ich bin nicht verrückt. Ich bin wie Sie, und ebenso wie Sie bin ich auf der Suche nach Liebe. Ich möchte geliebt werden, sehne mich nach der Hingabe eines anderen Menschen. Leider traue ich der Liebe nicht, denn die einzige, die ich jemals gekannt habe, ist gestorben. Alles danach war unbefriedigend und schwach. Vielleicht lag es an mir, ich bin schließlich auch nicht vollkommen. Ebenso wenig wie Sie.
Eine Tat beinhaltet immer mehr als nur das, was geschieht, hat größeres Gewicht als die Summe ihrer Teile. Für mich und Smith waren die Teile wie folgt:
Ich hatte ein Messer. Es glänzte, war neu und von bester Qualität. Es lag in meinem Nachttisch verborgen, als letztes Geschenk.
Wir hatten einen Plan. Smith würde die zweite Ampulle GHB leeren und sich schneiden, während er langsam das Bewusstsein verlor. Wir würden auf seinen Tod warten, auf den Herzstillstand, der sich nach der Überdosis unweigerlich einstellt. Dabei würde ich von seinem Fleisch essen.
Neununddreißig
Cate schiebt den Stick in ihren PC und wartet darauf, dass die Datei mit dem Tagebuch hochgeladen wird. In weniger als zwei Stunden wird sie sich ein letztes Mal mit Alice treffen, und bis dahin muss sie entschieden haben, welches Urteil sie empfiehlt. Das Gutachten hat sie bereits geschrieben, nur der letzte Absatz steht noch aus. Ihr schwebt ein Urteil mit einer längeren Bewährungszeit vor, zwei Jahre oder eher drei. Sie hat mit Dr. Gregg gesprochen, der Alice ambulant weiterbehandeln wird. Mit dem Urteil auf Bewährung ist er einverstanden, vorausgesetzt, Alice bleibt unter Beobachtung. Wozu sollte ein Gefängnisurteil auch gut sein? Im Gefängnis würde Alice nicht richtig therapiert, denn ihre Probleme fallen aus dem Rahmen, die dort angebotenen Standardbehandlungen würden ihr nicht helfen. Weitaus besser wäre es, wenn Cate die Einzeltherapie verfolgen und feststellen könnte, ob sich an Alices Einstellung zu menschlichen Beziehungen etwas ändert. Darüber hinaus könnte sie Alice zur Trauerberatung schicken, denn der Verlust der Mutter hat offenbar ihre Haltung der Liebe und dem Tod gegenüber beeinflusst. Das Trauma, als Vierjährige bei ihrer toten Mutter zu liegen, hat sie eindeutig nie verarbeitet.
Alice tut ihr leid. Cate hat das Tagebuch von David Jenkins fast zu Ende gelesen. Er wollte zweifellos sterben. Hätte Alice sich nicht bereit erklärt, Sterbehilfe zu leisten, hätte er jemand anders gefunden. Dann waren da noch die schreckliche Geschichte seiner Krankheit und sein Wunsch, Alice anzustecken. Wie könnte man da nicht Mitleid mit dieser Frau haben? Was das angeht, muss Cate sie noch informieren und ihr sagen, dass sie möglicherweise an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit leidet. Für Cate steht jedenfalls fest, dass nicht David Jenkins, sondern Alice das wahre Opfer ist.
Nicht zuletzt deshalb würde sie ein Urteil auf Bewährung vorschlagen und sich vor Gericht am nächsten Tag unmissverständlich gegen eine Freiheitsstrafe aussprechen. Sie würde dem Richter verdeutlichen, dass Alice niemals in der Lage wäre, im Gefängnis zu überleben, und um Nachsicht bitten. Sterbehilfe war schließlich etwas anderes als Mord. Alice hatte David Jenkins lediglich beigestanden.
Cate scrollt durch das Tagebuch und vertieft sich in den letzten Teil seines Berichts.
Es ist Freitagabend. Freitag, der fünfzehnte Juni. Mein letzter Abend.
Das Haus zu verlassen, war eigenartig. Mich von den Gegenständen zu verabschieden, die zu meinem Lebensweg gehörten, erschien mir surreal. Zwar hat mein Weg nur aus der täglichen Fahrt zum Büro und zurück bestanden und meine Reisen aus wenigen Urlauben im Lake District, trotzdem habe ich Steine gesammelt, ebenso Ansichtskarten von Bergen, die ich gesehen, aber nie bestiegen habe, Speisekarten vom Chinesen an der Ecke. Das sind die Andenken an mein Leben.
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