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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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Sammelbüchse, wo sie klimpernd auf zahlreichen anderen landete, und suchte sich aus dem Ständer eine Ansichtskarte aus. Auf der Bildseite war die Kreuzigungsszene zu sehen, die wir eben studiert hatten. Mit zusammengepressten Lippen steckte er sie in die Innentasche seines Jacketts.
    Draußen nahm ich seine Hand. Er musterte mich, als sei ihm in dem Moment wieder eingefallen, wer ich war, als sei er aus einem Traum erwacht. Sein Gesicht wirkte friedvoll und ergeben.
    Später am Abend, zwei Stunden nachdem ich zugesehen hatte, wie er in den Zug nach London stieg, loggte ich mich in meinen Account ein. Er war schon da, wartete auf mich. Seine Nachricht erschien auf meinem Bildschirm.
    Smith:
Robin? Bist du da?
    Robin:
Ja.
    Smith:
Hast du über meine Bitte nachgedacht?
    Robin:
Ich versuche, sie zu verstehen.
    Smith:
Ist der Gedanke denn tatsächlich so schockierend? Wir dehnen doch schon die Grenzen dessen, was andere als akzeptabel bezeichnen.
    Robin:
Selbstmord ist vornehm. Denk an andere Kulturen in anderen Zeiten – an Japan, an Romeo und Julia. Kannibalismus ist nicht vornehm.
    Smith:
Da irrst du dich, Robin. Du denkst wie ein Imperialist, mit den Vorurteilen der westlichen Welt. Kuru, das Verspeisen der Toten, ist ein uraltes Bestattungsritual, ein Ausdruck von Ehrerbietung. Es ist ein Weg, die Toten in uns zu bewahren. Aber Antropophagie kann nur von Gläubigen praktiziert werden, nur von den Frommen.
    Robin:
Die einzigen Kannibalen, die mir einfallen, sind Serienmörder – wie Neilson, dieser japanische Psychopath und Hannibal Lecter.
    Smith:
Diese Menschen waren geisteskrank, doch der Instinkt, um den es mir geht, ist etwas Primitives, das wir bereits in uns tragen. Es gibt Tiere, die ihre toten Jungen fressen. Es ist eine Art Recycling, allerdings auf geistiger Ebene. Es ist etwas Schönes.
    Robin:
Wie das Abendmahl? Das Brot und der Wein?
    Smith:
Genau. Es ist nicht abstoßend, sondern ein Zeichen der Hingabe. Den anderen in sich aufzunehmen, zu absorbieren. Genau das wünsche ich mir. Dass du mich in dir trägst. Ich möchte in deinem Körper weiterleben und spüren, dass alles einen Sinn hatte.
    Robin:
Hilf mir.
    Smith:
Wie?
    Robin:
Mach es zu etwas Normalem. Sorge dafür, dass ich es verstehe.
    Smith:
Du hast mich so viel gelehrt, mir erklärt, wie du die Welt siehst, und von der Negativfähigkeit gesprochen. Von Erfahrung und Gefühlen ohne Analyse. Jetzt bin ich an der Reihe, dich etwas zu lehren. Ich will dir eine Geschichte erzählen. Von einem anderen Land. Von Menschen, die weit, weit von uns entfernt ein anderes Leben geführt haben.
    Dann erzählte er mir die Geschichte der Kannibalen in Papua-Neuguinea, doch mir fiel es schwer, ihm geistig zu folgen. Ich verstand nur einen Teil. Ich wollte nicht von ihm essen, aber er sagte, ich müsse ihm vertrauen. Ich müsse glauben.
    Smith:
Glaubst du, Robin? Ist dein Vertrauen groß genug?
    Robin:
Es ist schwierig, aber ich versuche es.
    Smith:
Ich bin fast so weit. Der Zeitpunkt rückt näher. Ich spüre es.
    Robin:
Ich weiß. Wir sind schon so weit gekommen. Deine letzte Reise. Ein wunderschöner Tod. Davon haben wir seit jeher geträumt. Jetzt habe ich dich gefunden und weiß, dass es möglich ist. Ich verspreche dir, deine letzten Augenblicke perfekt zu machen.
    Smith:
Aber da ist noch mein Wunsch. Wirst du ihn mir erfüllen?
    Robin:
Ich möchte dir jeden Wunsch erfüllen.
    Smith:
Auch meinen letzten?
    Robin:
Sag mir den Grund dafür – ich möchte sicher sein, dass ich es verstehe.
    Smith:
Wirst du von mir kosten? Von meinem Fleisch? Meinem Blut? Ich möchte, dass du mich in dir aufnimmst und ich so in dir bleiben kann. Eben so, wie Jesus es wollte. Verstehst du das nicht? Ich kann nur weiterleben, wenn du meine Bitte erfüllst.
    Robin:
Ich möchte dich glücklich machen. Ich habe mir nie etwas anderes gewünscht, als den letzten Augenblick eines Menschen zu seinem besten zu machen. Aber damit habe ich nicht gerechnet. Es war naiv, nur habe ich nie an Blut gedacht.
    Smith:
»Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben.« Wirst du es tun, Robin? Wirst du von mir essen?
    »Ich wollte es nicht tun.«
    Cate Austin blickt von ihrem Notizblock auf. »Sie wollten keine Sterbehilfe leisten?«
    »Doch, natürlich wollte ich das. Immerhin war das Teil des Plans. In einem Moment der Perfektion zu vergehen. Falls das sein Wunsch war.« Das Letzte muss sie ganz klar erfassen. »Ich bin keine Mörderin.«
    »Was genau wollten Sie nicht

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