Stirb mit mir: Roman (German Edition)
aber nicht, dass du Krebs hast. Davon sind sie einfach ausgegangen. Mein Gott, wie überzeugend du warst! Hast du mal Schauspielunterricht gehabt?«
Smith zog mich an sich. »Nein«, murmelte er in mein Haar. »Ich bin kein guter Schauspieler.«
»Den Eindruck hatte ich nicht.« Ich lächelte, als ich seinen Mund auf meinem Hals spürte.
Wir lauschten der Stille, dem Schweigen innerhalb der hohen Mauern, dieser grandiosen Architektur des fünfzehnten Jahrhunderts. Smith senkte erneut den Kopf und bewegte die Lippen im Gebet. Beim Gehen scharrten unsere Schuhe über die uralten Steinfliesen, Andenken an eine frühere Zeit, die unser Fortschreiten markierten. Am Ende des breiten Kirchenschiffs schauten wir zu dem größten Fenster hoch. Darauf war Jesus am Kreuz abgebildet, flankiert von drei Figuren: seiner Mutter, Johannes und Paulus.
»Kein Wunder, dass man es Passion nennt«, flüsterte Smith, als habe er Angst, einen Schlafenden zu wecken. »Sieh dir sein Gesicht an.«
Die Augen von Jesus waren geschlossen, seine Mundwinkel zeigten nach unten. Es war jedoch kein Ausdruck der Qual, sondern deutete auf stilles Erdulden, auf eine gelassene Hinnahme dessen, was ihm widerfuhr.
Mehr zu sich selbst sagte Smith: »Wenn man weiß, dass es den Himmel gibt, fällt es einem leicht, ein Opfer zu sein.«
Er vertiefte sich in den Anblick des Sterbenden, während ich die Figuren an dessen Seite betrachtete. Maria wirkte schmerzerfüllt und konzentrierte ihren schwermütigen Blick auf ihren Sohn. Ihr Mund war zu einem Strich zusammengekniffen, als dächte sie, es sei alles gesagt. Ein geöffneter Mund deutet auf Widerstand hin, stellt einen Schrei dar, einen Ausruf des Entsetzens und ist damit ein Zeichen für Auflehnung. Maria stand gebeugt da, die Hände zum Gebet zusammengelegt, doch mehr als alles andere sprach ihr Mund von der Akzeptanz des Unabänderlichen.
Johannes hielt die Hände ineinander verschlungen und schien zu flehen. Sein Gesichtsausdruck war weniger friedlich, die Augen unter den schweren Lidern blickten verstört. Ich fragte mich, wie ich mich verhalten würde, wenn Smith dabei war zu sterben. Wäre ich schicksalsergeben und nähme es hin wie die Jungfrau Maria, oder würde mich das, was wir getan hatten, aufwühlen?
Smith starrte noch immer auf das Gesicht des Gekreuzigten. »Wenn ich wüsste, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, würde ich gern sterben. Ich möchte weiter glauben können.«
Wir hielten uns an den Händen. Seine Hand war feucht. Ich ließ sie fallen, rückte jedoch näher an ihn heran. Wir waren wie zwei Jünger vor dem Kreuz, doch er war offenbar dabei, den Glauben zu verlieren.
»Ich werde vor deinem Kreuz stehen und zusehen, wie du alles erduldest. Später werde ich dich mitnehmen. In meinem Herzen. Die Menschen in unserer Erinnerung sterben nicht.«
Er wandte sich zu mir um und legte mir eine Hand auf die Wange. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit, mich mitzunehmen. Nicht in deinem Herzen, sondern in deinem Körper. Ich denke an die Eucharistie. Wenn Katholiken das Brot essen und den Wein trinken, nehmen sie Jesus in sich auf, seinen Leib und sein Blut. ›Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank.‹« Verstehst du mich, Robin? Siehst du, wie wichtig die Transsubstantiation ist?«
Ich wich zurück und suchte in seinem Gesicht nach der Bedeutung seiner Worte.
Er führte mich zu einer Kirchenbank und kniete sich auf den Betschemel. »Gott hat sein Wort zu Fleisch gemacht, und dieses Fleisch wurde am Kreuz geopfert. Das wünsche ich mir auch. Ich möchte mich dir opfern und in dir weiterleben.« Er umfasste meinen Fuß, als wolle er mir den Schuh ausziehen. »Du bist mein Jünger, Robin.« Er sah zu mir hoch. In seinen Augen lag plötzlich Argwohn, eine Härte, als hätte ich ihn verraten. »›Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre‹. Versprich mir, glaubenstreu zu sein.«
Ich wollte es versprechen, doch die Worte kamen mir nicht über die Lippen.
Auf dem Weg aus der Kirche kamen wir an einem Stand mit Nahrungsmitteln und einer Sammelbüchse vorbei. Ich wunderte mich über ein Gotteshaus, das seine eigenen Konfitüren und Soßen anbietet. Warum nicht auch eine Gebäcksorte namens St. Petrus und St. Paulus?
»Das hier ist eine Touristenfalle«, sagte ich, aber Smith hörte nicht zu.
»Hast du mal fünfzig Pence?«
Ich wühlte in meiner Handtasche und fand eine Ein-Pfundmünze. Smith steckte sie in die
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