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Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Stirb mit mir: Roman (German Edition)

Titel: Stirb mit mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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Sessel noch ein Waschbecken und einen kleinen Fernseher mit einer Antenne, an der ihre Mutter wackelte, um ein möglichst gutes Bild zu bekommen. Ihre Kleidung befand sich in einer kleinen Kommode, auf der Shampoo, Seife und all die anderen Dinge lagen, die sie brauchten, wenn sie das Gemeinschaftsbad am Ende des Flurs benutzten. Allein durfte Alice dort nicht hingehen, nicht einmal um Pipi zu machen. Ihre Mutter hatte gesagt, man wisse nie, wer sich draußen herumtreibe. Aus der Kochplatte in einer Zimmerecke stieg manchmal Qualm auf, deshalb durfte sie die nie anfassen.
    »Also wirklich, Matilde«, sagte die feine Dame. »Hier kann man sich ja kaum um die eigene Achse drehen.« Sie machte »Ts, ts, ts« und schaute sich um.
    Alice wusste nicht, was eine Achse war, aber sie begriff, dass es nichts Lustiges war, denn die Dame lächelte nicht, und ihre Mutter sah so unglücklich aus, dass das Mädchen wünschte, die Dame würde wieder verschwinden. Trotzdem blieb sie und schaute sich alles an. Alice betrachtete den flauschigen Mantel der Dame und ihre glänzenden Schuhe.
    »Komm zu mir, mein Kind«, befahl sie.
    Gehorsam stand die Kleine auf und umklammerte ihre Puppe. Die Dame starrte sie lange an, dann packte sie ihren Arm und zog sie näher zu sich heran. Alice hatte Angst und hoffte, sie machte sich nicht gleich in die Hose.
    Da drehte die Dame sich zu ihrer Mutter um und sagte: »Wenigstens sieht sie nicht aus wie er.«
    Sie ließ Alice los. Die Kleine huschte in die Ecke, in der ihre Spielsachen waren.
    Dort setzte sie sich auf den Boden, hob ihre Puppe auf den Schoß und flüsterte streng: »Du machst keinen Mucks, Sindy, ich brauche Ruhe.« Dabei versuchte sie, die Dame zu ignorieren, die ihre Mummy zum Weinen gebracht hatte. »Du bist ein böses Mädchen«, flüsterte Alice. »Gleich gibt’s was auf den Po.«
    Im Spiegel auf der Kommode hockte die feine Dame jetzt neben ihrer Mutter auf der Bettkante, immer noch in dem dicken, weichen Mantel. Komisch war, dass die Dame und Mummy den gleichen Mund hatten und beide traurig wirkten. Dann öffnete die Dame ihre glänzende Handtasche und holte eine rote Geldbörse heraus, die mit einem Klick aufging. Sie reichte Mummy ein paar von den bunten Papieren, die man in Geldbörsen steckte. Anfangs sagte Mummy nein, aber dann nahm sie die Papiere doch und musste noch mehr weinen.
    Die Dame, die schon alt war, sagte: »So müsste es nicht sein«, und danach: »Es gibt bessere Möglichkeiten.« Dann fragte sie, was für ein Leben das für sie und das Kind sei.
    Mummy sagte: »Pscht, sie hört uns zu.«
    Alice kämmte Sindys Haare und stellte sich taub.
    Mr   Wilding klopfte ständig an der Tür. Manchmal ließ Mummy ihn herein, meistens dann, wenn er etwas für sie hatte, nicht nur Fisch und Chips oder Wein, sondern auch Spielsachen, die noch in ihrer Plastikhülle und einem Karton steckten. Puppen und Malbücher. Alice liebte die Geschenke, aber Mummy sah jedes Mal aus, als seien sie ihr nicht recht, obwohl er betonte, es seien Geschenke.
    An dem Abend, als sie aus dem Park zurückkehrten, kam Mr   Wilding wieder vorbei und klopfte. Ihre Mutter war schlecht gelaunt, denn ihr tat die Zunge noch weh, auf die sie sich an der Schaukel gebissen hatte. Mr   Wilding versuchte, sie zum Lächeln zu bringen. Er schenkte Alice eine Barbiepuppe und sagte, er wolle Mummy ausführen, er kenne einen besonderen Ort. Da würde es ihr gefallen, aber sie solle ihr Kleid tragen, das hübsche mit dem Blumenmuster. Sie solle auch daran denken, sich die Lippen zu schminken.
    Mummy sah wunderbar aus, wie Aschenputtel, nachdem die gute Fee gezaubert hatte. Der Lippenstift stand ihr und leuchtete rot. Trotzdem machte Mummy keinen glücklichen Eindruck und versprach Alice, bald wieder zu Hause zu sein.
    Mr   Wilding berührte Mummys Po und sagte, sie sei ein braves Mädchen. Alice hatte noch nie gehört, dass jemand ihre Mutter so nannte, hatte nicht gewusst, dass jemand, der schon groß war, noch ein Mädchen sein konnte. Sie blieb in ihrem Zimmer, wo ihr der Fernseher und ihre neue Barbiepuppe Gesellschaft leisteten. Später schlief sie auf dem großen Bett ein, bis Geschrei auf dem Flur sie aufweckte.
    Mr   Wilding hielt Mummy offenbar nicht mehr für ein braves Mädchen, sondern betitelte sie mit ganz anderen Namen. Bösen Namen. Alice hielt Barbie im Arm und lag so reglos da, wie sie konnte. Sie tat, als würde sie schlafen. Als Mummy ins Bett kam, roch sie komisch, wie Rauch, aber auch

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