Stirb mit mir: Roman (German Edition)
hatte. Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Daran hatte Jenkins also gelitten. Wie er erinnerte auch sie sich an die Kadaverberge auf den Weiden und an Bauern, die sich weigerten, ihr Vieh zu schlachten. Rührte seine Wunschvorstellung daher? Dass man ihn tötete wie ein krankes Tier?
Cate warf einen Blick auf das Foto von Amelia, das gerahmt auf ihrem Schreibtisch stand, und spürte, wie es ihr die Brust abschnürte. Was für eine grausame Wahl David Jenkins gehabt hatte, entweder noch für einige Wochen oder Monate zu leben oder sich für den Freitod zu entscheiden. Vielleicht hätte sie das Gleiche getan und sich den Zeitpunkt ihres Todes ausgesucht, statt auf das Ende zu warten. Schwindelanfälle und Gedächtnisverlust waren entsetzliche Begleiter auf dem Weg dahin. Sie nahm ihren Mut zusammen und las weiter.
15. Februar
Im Dezember ist mein Vater gestorben. Danach habe ich mich gefragt, was ich mit seinem Bungalow machen soll. Er stammt aus dem Jahr 1970: drei Zimmer, Küche, Bad. Vorn ein viereckiges Stück Rasen, hinten eine Terrasse. Anfangs dachte ich daran, das Haus zu verkaufen, war aber bisher nicht dazu gekommen, es schätzen zu lassen und zu inserieren. Da meine Zeit knapp wurde, beschloss ich, statt weiterhin Miete zu zahlen, selbst einzuziehen. Das war an dem Wochenende nach meinem Gespräch mit Dr. Froy. Nach drei Fahrten zur Müllkippe hatte ich die Möbel meines Vaters entsorgt und schleppte meine Habseligkeiten in das Haus. Sie reichten nicht aus, um es auszufüllen. Ein Zimmer blieb leer, und das Wohnzimmer wirkte spartanisch. Ich war eine kleine Wohnung gewohnt, jetzt hatte ich ein ganzes Haus. Zur Arbeit brauchte ich von dort aus vierzig Minuten länger als zuvor, aber wenigstens hatte ich damit so etwas wie einen letzten Neuanfang eingeleitet.
Einen anderen Hausarzt musste ich mir nicht suchen, es gab ohnehin keine Medizin, die mir helfen konnte. Wenige Tage nach meinem Umzug stellte ich meine Annonce ins Netz. Dann traf ich Robin.
Sie stand auf dem Bahnsteig, trug eine weiße Wolljacke mit hochgestelltem Kragen und starrte ins Nichts, als sei sie eine Schauspielerin und würde gefilmt. Ich wusste sofort, dass sie Robin war, denn ich hatte schon mit einem dramatischen Auftritt gerechnet. Schließlich verbringt sie ihre Zeit mit der Lektüre von Romanen und bereitete sich auf die Hauptrolle ihres Lebens vor.
In den Achtzigerjahren machte eine Story überall die Runde. An die muss ich immerzu denken; vielleicht kennst Du sie ja auch. Darin geht es um eine junge Witwe, die beschließt, eine Kreuzfahrt zu machen. Dies scheint ihr der beste Weg, den Tod ihres Mannes zu verwinden. Da sie nicht reich ist, muss sie für die Reise ihr Sparkonto plündern, doch als sie von einer Brise umweht auf dem Schiffsdeck sitzt, findet sie, dass es jeden Penny wert war. An der Kreuzfahrt nimmt auch ein gutaussehender, elegant gekleideter Mann teil, der sich für sie interessiert. Abends essen sie zusammen, tagsüber flanieren sie über das Schiff und unterhalten sich. Ebenso wie sie ist er verwitwet, und die beiden verstehen sich prächtig. Als das Schiff wärmere Breitengrade erreicht, schlafen sie miteinander. Er ist ein guter Liebhaber, die Frau beginnt zu hoffen. Der Mann sagt ihr, dass er sie liebe und sich nie mehr von ihr trennen wolle.
Als sie in einem Hafen der Karibik anlegen, machen sie einen Ausflug über die Insel. Dann ist es an der Zeit, zum Schiff zurückzukehren, doch mit einem Mal ist der Mann nirgends mehr zu finden. Die Frau nimmt an, dass er bereits an Bord ist, und checkt ebenfalls wieder ein. Das Schiff legt ab, verlässt den Hafen. Da sieht die Frau den Mann an Land stehen, er winkt und lächelt ihr zu, möchte sich offenbar von ihr verabschieden. Sie will ihm gerade etwas zurufen, da tippt ihr jemand auf die Schulter. Es ist ein Gepäckträger, der sagt, der Gentleman habe ihn gebeten, ihr etwas zu überreichen.
Es ist ein Päckchen, wunderschön in Goldpapier eingeschlagen. Sie vermutet ein Schmuckstück darin, einen Ring vielleicht. Aber als sie das Päckchen öffnet, liegt ein kleiner Holzsarg vor ihr, der einen Zettel enthält. Darauf steht: »Ich habe Aids. Ruhe in Frieden.«
Diese Geschichte ist mit Sicherheit erfunden, doch ich habe gehört, dass es Menschen gibt, die andere absichtlich mit Aids anstecken oder drohen, sie mit einer verseuchten Spritze zu verletzen. Erst in der letzten Woche haben sie eine Frau inhaftiert, die ihren Geliebten infiziert hat, ohne ihn vorher
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