Stirb, Schätzchen, Stirb
inzwischen wieder viel zu nüchtern bist.«
Sie wollte noch etwas sagen, hielt dann aber den Mund. Schließlich konnte sie dem Mann nicht untersagen, sein Geld so auszugeben, wie es ihm gefiel. Und mit einer Sache hatte er eindeutig recht. Big Jacks Diamanten hatten etwas Besseres verdient als ein Dasein in einem Tresor der Polizei.
»Ein Päckchen liegt da noch«, bemerkte er, als er aufstehen wollte, und nahm wieder Platz. »Das, das du heute noch ins Haus geschmuggelt hast.«
»Oh. Richtig.« Ein Teil von ihr hatte gehofft, dass er es übersehen würde. »Tja, nun, es ist nichts Besonderes. Nur eine Kleinigkeit.«
»Ich bin gierig, weißt du noch? Also gib das Päckchen her.«
»Okay, sicher.« Sie streckte sich nach dem Paket, ließ es ihm in den Schoß fallen und rappelte sich auf. »Ich hole den Champagner. Pack du währenddessen aus.«
Bevor sie sich jedoch erheben konnte, hielt er sie am Arm zurück. »Warte kurz, während ich gucke, was es ist.« Er zerriss das Einwickelpapier, zog das Geschenk heraus und hauchte leise: »Oh.«
Fast wäre sie zusammengezuckt. »Du hast gesagt, du hättest gern ein Bild von mir. Du weißt schon, aus der Zeit, bevor ich dir begegnet bin.«
Er sagte noch einmal »Oh«, und sein Gesichtsausdruck trieb ihr die Röte ins Gesicht. »So hast du also ausgesehen.« Sein Blick wanderte zwischen seiner Frau und dem Foto hin und her und war so voller Freude, Überraschung, Liebe, dass sie nur noch mit Mühe Luft bekam.
»Ich habe es irgendwo ausgegraben und in einen Rahmen gesteckt.«
»Wann wurde es aufgenommen?«
»Kurz, nachdem ich an die Polizeischule gegangen bin. Dieses Mädchen, mit dem ich hin und wieder rumgehangen habe, sie hat ständig Fotos von den Leuten gemacht. Ich habe versucht zu lernen, und sie -«
»Deine Haare.«
Sie rutschte unbehaglich hin und her. Auf dem Bild saß sie an einem Schreibtisch. Vor ihr lag ein Haufen Lehrdisketten, sie trug ein langweiliges graues Sweatshirt ihrer Schule und hatte langes, zu einem Pferdeschwanz zurückgebundenes Haar.
»Ja, damals waren sie noch länger. Ich fand es einfach praktisch, weil ich sie zusammenbinden konnte, dann waren sie aus dem Weg. Dann hat mich einmal ein Gegner beim Nahkampftraining an meinem Pferdeschwanz gepackt, da habe ich beschlossen, dass der doch nicht ganz so praktisch ist. Seitdem trage ich die Haare immer kurz.«
»Und deine Augen. Du hast damals schon die Augen eines Cops gehabt. Du warst kaum älter als ein Kind und wusstest trotzdem schon genau Bescheid.«
»Alles, was ich wusste, war, dass ich ihr eine reingehauen hätte, wenn sie nicht bald mit der Kamera verschwunden wäre, damit ich endlich in Ruhe lernen konnte.«
Lachend nahm er ihre Hand, sah aber weiter das Foto an. »Was ist aus ihr geworden?«
»Nach einem knappen Monat hat sie das Handtuch geschmissen. Sie war durchaus in Ordnung, nur -«
»- eben kein Cop«, beendete er ihren Satz. »Danke für das Foto. Genau so ein Bild hatte ich mir gewünscht.«
Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, blickte auf die Lichter des Weihnachtsbaums und dachte, wer braucht schon Champagner, wenn er sich derart an seinem Glück berauschen kann?
19
Als sie, wie sie dachte, die Augen wieder aufschlug, stand sie in dem hell erleuchteten, von Glaswänden umgebenen Raum. Sie trug ihre Diamanten und den Kaschmirmorgenrock. In der Ecke stand ein riesengroßer Tannenbaum, der beinahe bis unter die Decke reichte. Die ausladenden Zweige waren mit Hunderten gehenkter, in weihnachtlich rotes Blut getränkter Menschen, das hieß mit Leichnamen, geschmückt.
All die Frauen standen um den Baum herum.
»Nicht besonders feierlich«, stellte die Anwältin Maxi fest und stieß Eve mit dem Ellenbogen an. »Aber man muss sich mit dem begnügen, was man kriegen kann, nicht wahr? Wie viele der Leichen gehören dir?«
Sie konnte die Gesichter, die Körper, die Toten identifizieren, ohne die Lupe hervorziehen zu müssen, die schwer in ihrer Tasche lag. »Alle.«
»Das ist ein bisschen gierig, findest du nicht auch?« Maxi nickte in Richtung der Toten, die mitten im Zimmer auf dem Boden lag. »Sie wurde noch nicht aufgehängt.«
»Weil die Sache noch nicht erledigt ist.«
»Für mich sieht sie ziemlich erledigt aus. Hier.« Sie warf Eve eine mit Münzen gefüllte, weiße Socke zu. »Fang an.«
»Das ist nicht die richtige Antwort.«
»Vielleicht hast du einfach nicht die richtige Frage gestellt.«
Dann fand sie sich in dem gläsernen Zimmer mit den Kindern
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