Stirb, Schätzchen, Stirb
wieder. Das Kind, das sie selbst einmal war, hockte auf dem Boden und blickte aus müden Augen zu ihr auf.
»Ich habe keine Geschenke. Aber das ist mir egal.«
»Du kannst das hier haben.« Eve ging vor der Kleinen in die Hocke und hielt ihr ihre Dienstmarke hin. »Du wirst es brauchen.«
»Sie hat alle Geschenke bekommen.«
Eve sah durch das Glas und merkte, dass sich Berge von Paketen um die Leiche stapelten. »Als ob die ihr jetzt noch was nützen würden.«
»Du weißt, dass es eine von uns war.«
Eve blickte wieder auf das Zimmer voller kleiner Mädchen, bevor sie sich selber in die Augen sah. »Ja, ich weiß.«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Ich werde das Mädchen verhaften. So ist es nun einmal, wenn man jemanden ermordet. Man muss dafür bezahlen. Es ist wichtig, dass jemand dafür bezahlt.«
Das Mädchen, das sie selbst einmal war, hielt seine blutverschmierten Hände hoch. »Werde ich auch bezahlen?«
»Nein.« Obwohl sie wusste, dass es nur ein Traum war, konnte sie deutlich spüren, wie sich ihr Magen zusammenzog. »Nein«, sagte sie noch einmal. »Bei dir ist es etwas anderes.« »Aber ich kann hier nicht weg.«
»Eines Tages wirst du hier weg können.« Sie sah noch einmal durch die Scheibe und runzelte die Stirn. »Waren es eben nicht noch mehr Geschenke?«
»Menschen stehlen.« Das Kind machte die blutverschmierte Dienstmarke an seiner Bluse fest. »Die Menschen sind einfach schlecht.«
Während der Traum bereits verblasste, fuhr Eve erschrocken aus dem Schlaf. Es war seltsam, dachte sie, wenn man in Träumen mit sich selber sprach.
Der Baum. Sie erinnerte sich an den mit Leichen geschmückten Baum. Um sich zu trösten, drehte sie sich um und blickte auf den Baum, der im Fenster stand. Dann glitt sie mit der Hand über das Laken neben sich, doch es war schon kalt.
Es war nicht weiter überraschend, dass Roarke vor ihr aufgestanden und bereits so lange auf den Beinen war, dass seine Körperwärme aus dem Laken gewichen war. Trotzdem riss sie schockiert die Augen auf, als sie auf den Wecker blickte, denn es war schon kurz vor elf.
Als sie aufstehen wollte, fiel ihr Blick auf den blinkenden elektronischen Memo-Würfel auf dem Nachttisch, und sie schaltete ihn ein.
»Guten Morgen, meine allerliebste Eve«, drang Roarkes Stimme an ihr Ohr. »Ich bin im Spielzimmer. Komm, spiel mit mir.«
Unweigerlich musste sie lächeln. »Was für ein Kindskopf«, murmelte sie.
Sie duschte, zog sich an, schnappte sich eine Tasse Kaffee und ging zu ihm hinunter. Wodurch bewiesen wäre, dass sie ebenfalls ein Kindskopf war.
Er hatte den Hauptmonitor eingeschaltet, und sie zuckte zusammen, als sie sich selber auf dem Bildschirm sah. Sie war in einen blutigen Kampf verwickelt, nur schwang sie statt eines Stunners oder einer anderen modernen Waffe ein altmodisches Schwert.
Er kämpfte Rücken an Rücken mit ihr, wie es auch schon in der Wirklichkeit geschehen war. Auch Peabody war mit von der Partie, auch wenn sie verletzt am Boden lag. Aber was zum Teufel hatte ihr Partner an?
Und vor allem, was hatte sie selber an? Es sah aus wie irgendein Lederanzug, der weniger für einen Schwertkampf als für irgendwelche Sado- Maso- Spiele geeignet war.
Cool, dachte sie, als sie einem ihrer Gegner den Kopf abschlug.
Einen Moment später hatte auch ihr Mann seinen Gegenspieler unschädlich gemacht, und der Computer meldete, sie hätten Level acht erreicht.
»Ich bin gut«, erklärte sie und trat neben ihn.
»Das bist du. Genau wie ich.«
Sie nickte in Richtung des Monitors. »Was haben diese Outfits zu bedeuten?«
»Feeney hat zusätzlich eine Kostümwahl eingegeben, ich habe mich eine geschlagene Stunde damit amüsiert, mir neben der Eroberung eines Großteils von Europa und Nordamerika die Garderobe anzusehen. Wie hast du geschlafen?«
»Gut. Allerdings hatte ich wieder einen seltsamen Traum. Was wahrscheinlich an dem Champagner und dem Schokoladensouffle liegt, über das ich noch mitten in der Nacht hergefallen bin.«
»Warum spielst du nicht eine Runde mit? Man kann dieses Spiel auch mit mehreren Spielern spielen. Du kannst ja mal versuchen, eins meiner Territorien zu erobern.«
»Vielleicht später.« Sie strich ihm geistesabwesend über das Haar. »Mir geht immer noch dieser Traum durch den Kopf. Manchmal haben Träume etwas zu bedeuten, richtig? Das ist bei diesem Traum bestimmt der Fall. Ich stelle nicht die richtige Frage«, murmelte sie nachdenklich. »Nur weiß ich einfach nicht, welches die
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