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Stirb schön

Stirb schön

Titel: Stirb schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Lieferwagen einer Glaserei vorbei und überquerte die Straße. An dem Tor, das auf ein leuchtend gelbes Rapsfeld führte, rief sie Nero, der sich gerade anschickte, in einer fremden Garageneinfahrt sein Geschäft zu hinterlassen. Mit ihrer Stimme hätte sie sich auch ohne Mikrofon im Wembley-Stadion bemerkbar gemacht.
    »Nero! Wag es nicht! Bei Fuß!«
    Der Hund hob den Kopf, sah das offene Tor, lief freudig hindurch und schoss den Hügel hinauf, wo er im dichten Raps verschwand.
    Hilary schloss das Tor hinter sich und wiederholte: »Eine Tasche, Mr Worthing, Sie wurden in einer Tasche gefunden.«
    Sie glühte förmlich, hatte schon David, Sidonie, Julius, Oliver und ihre Mutter angerufen, um die Neuigkeit zu verkünden, die unglaubliche Neuigkeit, die größte Sensation aller Zeiten. Vor nur einer Stunde war der Anruf von der Southern Arts Dramatic Society gekommen, und man hatte ihr eröffnet, dass sie die Rolle der Lady Bracknell spielen würde!
    In fünfundzwanzig Jahren Laientheater bei der Brighton Little Theatre Group hatte sie immer auf den großen Durchbruch gehofft, und nun war er da! Die Southern Arts Dramatic Society war semiprofessionell. Sie führte jeden Sommer ein Open-Air-Stück auf den Wällen von Lewes Castle auf und ging danach auf Tournee, sogar bis nach Cornwall. Das Ensemble war berühmt, es wurde in der Presse besprochen, man würde sie entdecken! Hundertprozentig!
    Oh Gott, wenn ihre Nerven sie bloß nicht im Stich ließen. Hilary hatte vor Jahren schon einmal eine kleine Nebenrolle in dem Stück gespielt und konnte noch ganze Passagen auswendig.
    Während sie hügelaufwärts stapfte, deklamierte sie immer wieder aus vollem Hals die Passage, die sie für eine der dramatischsten und witzigsten des ganzen Stückes hielt: »Einen Elternteil zu verlieren, Mr Worthing, mag noch als Unglück durchgehen; aber beide zu verlieren, ist Leichtsinn.«
    Über ihr brauste eine Maschine im Landeanflug auf Gatwick dahin, und sie musste die Stimme heben, um sich selbst zu hören. »Eine Tasche, Mr Worthing, Sie wurden in einer Tasche gefunden.«
    Hilary marschierte weiter, probierte die unterschiedlichsten Betonungen aus und überlegte, wen sie sonst noch anrufen könnte. Nur sechs Wochen bis zur Premiere und noch so viel Text zu lernen!
    Dann tauchten erste Zweifel auf. Wenn sie es nun nicht schaffte?
    Wenn sie einen Blackout hatte oder vor einem so großen Publikum patzte? Das wäre das Ende aller Hoffnungen!
    Aber nein, so etwas würde ihr nicht passieren, immerhin hatte sie Theaterblut in den Adern.
    Als sie den Hügelkamm erreichte, war keine Spur von Nero zu entdecken. Überall offenes Ackerland mit vereinzelten Bäumen, ein Stück weiter die nächste Anhöhe, es wehte ein kräftiger Wind, der den Raps und die langen grünen Weizenhalme umbog. Sie formte einen Trichter mit den Händen und rief: »Nero, komm her! Bei Fuß, Nero!«
    Kurz darauf stürmte er auf sie zu, wobei ihm etwas Weißes aus der Schnauze baumelte.
    Ein Kaninchen, dachte sie, hoffentlich war das arme Ding wenigstens tot. Hilary konnte es nicht ertragen, wenn er verletzte Tiere mitbrachte, die sich angstvoll vor ihr am Boden krümmten.
    »Na komm schon, was hast du denn da? Aus! Aus!«
    Ein Schauder durchlief sie, als sie vorsichtig näher trat und das leblose weiße Ding anstarrte. Ihr Kiefer klappte herunter.
    Dann begann Hilary zu schreien.

6
    ROY GRACE MOCHTE KEINE PRESSEKONFERENZEN . Da Polizisten jedoch Staatsdiener waren, hatte die Öffentlichkeit das Recht, über deren Arbeit informiert zu werden. Was er hasste, war die tendenziöse Berichterstattung. Viele Journalisten waren nicht daran interessiert, die Öffentlichkeit zu informieren, sie wollten ihre Zeitungen verkaufen oder Hörer und Zuschauer anlocken. Daher wandelten sie nüchterne Nachrichten in möglichst sensationelle Storys um.
    Und wenn die Story immer noch nicht sensationell genug war, konnte man es auch mit einem Seitenhieb auf die Polizei als solche versuchen. Nichts verkaufte sich besser als Fahrlässigkeit, Rassismus oder Unfähigkeit der Ordnungshüter. Besonders beliebt bei den Medien in den letzten Jahren war das Thema missglückte Verfolgungsjagden, bei denen Unbeteiligte von Polizeiautos verletzt oder getötet worden waren.
    So wie gestern, als zwei Verdächtige, die einen gestohlenen Wagen fuhren, von einer Brücke gestürzt und im Fluss ertrunken waren.
    Darum stand Grace jetzt hier im Besprechungsraum voller Presseleute, für die es nicht genügend

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