Stirb schön
fragte sich flüchtig, ob sie es wohl war; doch als sie sich umdrehte, erkannte er, dass sie ihr nur ähnlich sah.
Sie setzte sich auf die Bettkante und streifte die Pumps ab, wobei sie sich der Kamera überhaupt nicht bewusst zu sein schien. Dann stand sie auf und knöpfte ihr Kleid auf.
Kurz darauf öffnete sich die Schlafzimmertür hinter ihr und ein kleiner, kräftig gebauter Mann mit dunkler Wollmütze, dessen Gesicht nicht zu erkennen war, trat ein. Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug Handschuhe. Entweder hatte die Frau ihn nicht gehört oder beachtete ihn nicht. Während er langsam durchs Zimmer auf sie zuging, griff sie nach dem Verschluss der Perlenkette.
Der Mann holte etwas aus seiner Lederjacke, das im Licht aufblitzte, und Tom beugte sich überrascht vor: ein langes Stilett.
Mit zwei Schritten war er bei ihr, schlang einen Arm um ihren Hals und stieß ihr das Stilett in die Brust. Tom erstarrte, so surreal wirkte die Szene. Die Frau keuchte entsetzt. Der Mann zog die Klinge heraus, sie schien mit Blut verschmiert. Dann stieß er wieder und wieder zu, Blut spritzte aus den Wunden.
Die Frau fiel zu Boden. Der Mann kniete sich hin, riss ihr Kleid entzwei, schlitzte den BH mit der Klinge auf und drehte sie brutal auf den Rücken. Ihre Augen waren verdreht, ihre schweren Brüste fielen zur Seite. Er zerfetzte ihre schwarzen Strümpfe und riss sie herunter, starrte einen Moment lang auf ihren hinreißenden nackten Körper und rammte ihr das Stilett knapp über dem Schamhaar in den Bauch.
Tom wurde schlecht, er wollte weg, doch die Neugier zwang ihn hinzusehen. War das alles nur gespielt, das Messer eine Attrappe, das Blut rote Farbe? Wieder und wieder stach der Mann zu.
Tom schoss in die Höhe, als hinter ihm die Tür aufging.
Kellie stand sichtlich beschwipst mit einem Weinglas auf der Schwelle.
»Hast du was Nettes für uns gefunden, Schatz?«
Er knallte den Deckel des Laptops zu.
»Nein«, sagte er mit zitternder Stimme, »nichts – ich –«
Sie legte ihm die Arme um den Hals, Wein schwappte auf den Laptop. »Ssschuldigung!«
Er tupfte es mit einem Taschentuch ab. Dabei schob Kellie die freie Hand unter sein T-Shirt und spielte an einer Brustwarze. »Ich habe beschlossen, dass du für heute genug getan hast. Komm ins Bett.«
»Nur noch fünf Minuten.«
»In fünf Minuten schlaf ich vielleicht schon.«
Er küsste sie. »Zwei Minuten. Okay?«
»Eine!« Sie verließ das Zimmer.
Tom grinste. »Eine Minute, okay.«
Als sich die Tür schloss, klappte er rasch den Deckel des Laptops wieder hoch und drückte eine Taste.
Auf dem Bildschirm erschienen die Worte:
Unbefugter Zugriff, Die Verbindung wurde getrennt.
Er dachte nach. Was zum Teufel hatte er da eben gesehen? Sicher einen Werbetrailer, es konnte nur ein Trailer gewesen sein.
5
DAS WAR DAS SCHÖNSTE GEBURTSTAGSGESCHENK in zweiundfünfzig Jahren! Nichts auf der ganzen Welt konnte damit konkurrieren. Weder der MG Sportwagen mit der rosa Schleife, den Don ihr zum Vierzigsten geschenkt hatte (und den er sich eigentlich nicht leisten konnte), noch die silberne Cartier-Uhr, die sie zum Fünfzigsten von ihm bekommen hatte (und die er sich ebenfalls nicht leisten konnte) oder das wunderschöne Tennisarmband, das er ihr gestern zum Zweiundfünfzigsten geschenkt hatte.
Auch nicht die Woche auf der Grayshott Hall Schönheitsfarm, für die ihre Söhne Julius und Oliver zusammengelegt hatten. Sicher, ein Genuss, aber hielten sie sie vielleicht für übergewichtig?
Egal. Trotz ihrer sechsundsiebzig Kilo Lebendgewicht schwebte Hilary Dupont auf Wolke sieben. Sie trat aus der Tür, wedelte mit Neros Leine und verkündete: »Einen Elternteil zu verlieren, Mr Worthing, mag noch als Unglück durchgehen; aber beide zu verlieren, ist Leichtsinn.« Hilary lebte in Peacehaven, einem Vorort im Osten von Brighton, der von der Küstenstraße bis zu den ländlichen Ausläufern der South Downs reichte und dicht an dicht mit Bungalows und freistehenden Häusern bebaut war, die alle nach dem Krieg errichtet worden waren.
Gleich hinter der Straße begannen die Felder. Hilary, eine etwas übergewichtige, aber auffallend attraktive Blondine, die eine lose Tunika, einen gepunkteten Gymnastikanzug und dazu grüne Gummistiefel trug, redete gestikulierend mit sich selbst, während sie ihren dicklichen schwarzen Labrador von Laternenpfahl zu Laternenpfahl führte. An jedem musste er das Bein heben.
Am Ende bog sie links ab, ließ vorsichtshalber den
Weitere Kostenlose Bücher