Stirb schön
zusammen. Es scheint keinen Grund zu geben, warum sie nicht zu der Feier hätte kommen sollen.«
»Und die vier anderen?«
»Auch von ihnen wurde heute keine gesehen«, gab Branson zu.
Obwohl schon einunddreißig, war er nach einem Fehlstart als Rausschmeißer in einem Nachtklub erst vor sechs Jahren zur Polizei gekommen. Ahnungen waren wichtig, aber sie führten auch zu vorschnellen Schlüssen, bei denen man gern andere Möglichkeiten außer Acht ließ und die Beweise selektiv auswählte. Manchmal musste Grace seinen Kollegen ein wenig bremsen, damit er sich nicht selber austrickste.
Im Augenblick brauchte er ihn jedoch nicht wegen seiner Ahnungen, sondern für einen Gefallen, der eher privater Natur war.
»Willst du mit mir ins Leichenschauhaus fahren?«
Branson zog die Augenbrauen hoch. »Scheiße, Mann, gehst du da immer mit deinen Verabredungen hin?«
Grace grinste. Denn damit lag Branson gar nicht so falsch.
15
TOM BRYCE SASS IM BESPRECHUNGSZIMMER eines Bürogebäudes, das sich in einem Gewerbegebiet in der Nähe von Heathrow befand. Und zwar so nah, dass es aussah, als würde der Jumbo Jet, der mit ausgefahrenen Rädern und Landeklappen übers Dach hinwegdonnerte, mitten im Zimmer landen.
Der Raum war altmodisch bis auf die gerahmten Plakate von Horror- und SciFi-Filmen. Braune Velourstapete, ein bronzener Besprechungstisch, der aussah wie ein Beutestück aus einem tibetanischen Tempel, und zwanzig extrem unbequeme hochlehnige Stühle, um die Sitzungen möglichst kurz zu halten.
Sein Kunde Ron Spacks war ein kurzatmiger ehemaliger Rockpromoter, der stramm auf die Sechzig zuging. Sein Toupet saß schief, die Zähne waren viel zu makellos für sein Alter, und sein Gesicht zeugte vom Missbrauch diverser Rauschmittel. Er trug ein verblichenes T-Shirt von Grateful Dead, Jeans und Sandalen. Er blätterte im Katalog von Bry ceRight und murmelte vor sich hin, wann immer er an etwas Gefallen fand.
Tom nippte geduldig an seinem Kaffee. Gravytrain Distributing war einer der größten DVD-Händler des Landes. Das Goldmedaillon, die Klunker an den Fingern und der schwarze Ferrari draußen auf dem Parkplatz zeugten von Ron Spacks’ Erfolg.
Er hatte Tom stolz mitgeteilt, dass er mit einem Stand an der Portobello Road angefangen habe, wo er schon gebrauchte DVDs verkaufte, als noch keiner wusste, was eine DVD überhaupt war. Tom bezweifelte nicht, dass sein Imperium größtenteils auf Raubkopien gegründet war, doch war es nicht an ihm, seine Kunden nach moralischen Gesichtspunkten auszuwählen. Spacks hatte immer en gros bestellt und pünktlich bezahlt.
»Yeah. Tom, meine Kunden wollen keinen modischen Schnickschnack. Was haben Sie denn Neues im Programm?«
»Untersetzer in Form von CDs, die kann man bedrucken lassen. Auf Seite 42.«
Spacks schlug die Seite auf. »Yeah«, meinte er wenig begeistert. »Wie viel kosten 100000 von denen – Sie können doch auf ein Pfund runtergehen, oder?«
Ohne seinen Computer fühlte Tom sich verloren, doch der wurde gerade im Büro von Chris Webb wiederbelebt. Alle Einstandspreise waren dort drin, und ohne sie wagte er nicht, Rabatte einzuräumen, vor allem nicht bei so großen Aufträgen.
»Ich schicke Ihnen später eine Mail.«
»Mehr als ein Pfund ist nicht drin«, sagte Spacks und öffnete eine Dose Cola. »Eigentlich wären mir siebzig Pence noch lieber.«
Toms Handy klingelte. Kellie. Er drückte sie weg.
Siebzig Pence waren undenkbar, das wusste er genau, die CD allein kostete schon mehr, aber damit wollte er jetzt nicht unbedingt rausrücken. »Könnte eng werden.«
»Yeah. Ich sag Ihnen mal, woran ich wirklich interessiert bin. Fünfundzwanzig goldene Rolex wären der Deal.«
»Goldene Rolex-Uhren? Echte?«
»Klar, keine Kopien, das einzig Wahre. Mit eingraviertem Logo. Können Sie mir ein Angebot einholen? Aber ich brauch sie schnell, bis Mitte nächster Woche.«
Tom verbarg seine Überraschung. Eben noch hatte Spacks gesagt, er wolle keinen modischen Schnickschnack, und jetzt redete er von Uhren, die Tausende Pfund pro Stück kosteten. Wieder meldete sich das Handy.
Kellie, das machte ihm Sorgen; normalerweise hätte sie eine Nachricht hinterlassen. Vielleicht war eins der Kinder krank? »Darf ich mal? Meine Frau.«
»Wenn die Herrin des Hauses ruft. Die klassische Rolex ist doch die Oyster, oder?«
Tom wusste ungefähr so viel über goldene Rolex-Uhren wie über Hühnerzucht in den Anden. »Sicher doch.« Dann nickte er Spacks zu und nahm den Anruf
Weitere Kostenlose Bücher