Stirb schön
verpackt wieder in den Brustkorb zurückgelegt würden.
Auf einer Metallablage befand sich ein braunes längliches Gebilde, das wie eine lange Wurst aussah. Etwa zweieinhalb Zentimeter Durchmesser, umgeben von einer Lache aus Blut, Exkrementen und Schleim. Dr. Theobald hatte es aufgeschnitten und hielt es mit einer Zange auseinander.
Der Pathologe schaute ihn noch ernster an als sonst. »Das sollten Sie sich mal ansehen, Roy.«
Anatomie war noch nie Grace’ Stärke gewesen, und wenn er die Organe einer Leiche betrachtete, fehlte es ihm gelegentlich an Orientierungsvermögen. Er überlegte, was es sein könnte. Vermutlich ein Teil der Eingeweide. Dann zog Dr. Theobald den Schnitt mit der Zange weiter auseinander, sodass Grace hineinschauen konnte.
Und er sah, was alle im Raum bereits gesehen hatten.
Starrte in sprachlosem Entsetzen darauf.
Wich unwillkürlich zurück.
»Jesus«, sagte er und schloss flüchtig die Augen, als seine Füße plötzlich ganz schwer wurden. In seinem Magen brodelte es vor Entsetzen und Ekel.
»Oh, mein Gott.«
19
ES WAR EIN DICKER , glänzend schwarzer Käfer, etwa fünf Zentimeter lang, mit dünnen Beinen und einem gerippten Rücken. Aus seinem Kopf ragte ein einzelnes Horn.
Frazer Theobald hob ihn vorsichtig mit einer Pinzette aus dem Wulst heraus und zeigte ihn herum. Das Geschöpf rührte sich nicht.
Grace, der sich nie für Käfer hatte begeistern können, trat einen Schritt zurück. In Wirklichkeit hatte er mit allen Krabbeltieren Probleme, fürchtete sich vor Spinnen und begegnete auch Käfern mit größtem Respekt. Und das hier war ein wirklich Angst einflößendes Exemplar.
Er bemerkte den Ekel in Cleos Blick.
»Was ist das genau?«, erkundigte sich Branson mit bebender Stimme und deutete auf den Seziertisch, womit er Grace vor einer peinlichen Frage bewahrte.
»Ihr Rektum natürlich«, erwiderte der Pathologe.
Branson wandte sich angewidert ab. Dann sah er zu, wie Theobald den Käfer so nah an die Nase hielt, dass sich sein Schnurrbart fast in den haarigen Stacheln an den Beinen verfing.
Er schnüffelte eingehend. »Formaldehyd«, verkündete er und streckte Grace den Käfer zur Prüfung hin. Der Detective Superintendent kämpfte gegen seinen Ekel an und roch ebenfalls daran. Sofort stieg ihm ein Geruch in die Nase, den er noch aus dem Biologieunterricht kannte.
»Ja.« Er schaute auf den Seziertisch hinunter.
»Darum habe ich ihn bei der visuellen Untersuchung des Rektums auch nicht bemerkt – man hatte ihn zu weit eingeführt.«
Grace starrte auf die Röhre, die im Schließmuskel endete. »Was meinen Sie, wurde er vor oder nach Eintritt des Todes eingeführt?«
»Das kann ich nicht sagen.«
Dann stellte Grace die Frage, die allen auf den Nägeln brannte. »Warum um Gottes willen?«
»Das müsst ihr herausfinden.«
Branson lehnte an der Arbeitsplatte gleich neben dem Waschbecken. »Wisst ihr noch, Das Schweigen der Lämmer ?«
Grace wusste es nur zu gut. Er hatte den Roman gelesen, eines der wenigen Bücher, das ihm wirklich Angst gemacht hatte, und er kannte auch den Film.
»Die Opfer hatten alle eine Motte in der Kehle«, sagte Branson. »Einen Totenkopfschwärmer.«
»Ja, die Signatur des Mörders.«
»Vielleicht ist das hier ja die Signatur unseres Mörders.«
Grace betrachtete den Käfer, und er hätte schwören können, dass die Beine zuckten, dass dieses Ding noch lebte. »Weiß jemand, was für ein Käfer das ist?«
»Ein Hirschkäfer?«, schlug Cleo Morey vor.
»In dieser Größe?«, warf ihr Assistent Darren ein. »Ich habe mich während meiner Ausbildung auch mit Entomologie beschäftigt. An so große Hirschkäfer kann ich mich nicht erinnern. Der dürfte nicht von hier sein.«
»Vielleicht ein Import?«, fragte Grace. »Aber warum sollte sich jemand die Mühe machen, das Vieh zu importieren, um es in ihr Rektum einzuführen?«
Langes Schweigen. Schließlich steckte der Pathologe den Käfer in einen Plastikbeutel und etikettierte ihn. »Wir müssen so viel wie möglich über ihn herausfinden.«
Grace dachte angestrengt nach. Im Laufe der Jahre hatte er gezwungenermaßen allerhand über die Psyche von Mördern gelesen. Die meisten Morde geschahen im Familienkreis, viele Menschen wurden von Bekannten getötet. Das waren Einmaltäter, die oft aus Leidenschaft oder im Affekt handelten. Doch einige wenige Morde waren wirklich verzwickt, da die Täter zur Befriedigung ihrer Triebe töteten und glaubten, sie könnten die Polizei überlisten
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