Stirb schön
und Medikamente mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum für Nigeria.
Doch das würde er Jonas Smith nicht auf die Nase binden. Dieses Wissen konnte sich irgendwann als nützlich erweisen. Er wollte einfach mit Venner sprechen, ihm sagen, was er herausgefunden hatte, und schnell ins Büro zurückkehren. Außerdem war er heute Abend mit Mona verabredet – na ja, in einem Internet-Chatroom. Sein drittes Date mit ihr. Mona arbeitete für eine IT-Firma in Boise, Idaho, und sie sprachen meist über Umweltprobleme.
Das Tolle an ihr war, dass sie Robert Anton Wilson gelesen hatte, und es gab noch viele weitere Gemeinsamkeiten. Sie war genau wie der Wetterfrosch der Meinung, dass Menschen bald ihr Gehirn in einen Computer laden und ein virtuelles Leben führen könnten, frei von den Zwängen und Nachteilen einer biologischen Existenz.
Er fuhr mit dem Lastenaufzug in den ersten Stock. »Abschwächend bei Forties Ost und Dogger Ost«, teilte er Mick Brown mit, der ihn vor der Tür erwartete.
Der Albaner kannte den Seewetterbericht nicht und hatte keine Ahnung, wovon der Wetterfrosch sprach, aber es interessierte ihn auch nicht. Er kaute mit offenem Mund Kaugummi und starrte den Wetterfrosch nur an. Dessen schlaffes Gesicht, das dünne Haar, das schlabbrige Hemd, die schlotternde Hose, die schwerfälligen Schuhe. Er suchte nach Anzeichen für eine Waffe. Nicht dass der seltsame Mr Frost aussah, als trüge er eine bei sich, doch Brown tat nur seine Arbeit.
Frost wirkte schwächlich. Es würde nicht schwer sein, ihn zu töten, wenn die Zeit gekommen war. Aber auch kein Spaß. Der Albaner bevorzugte Kämpfertypen, die sich zur Wehr setzten, vor allem Frauen. »Handy?«
»Hab ich nicht dabei.«
»Auto oder Büro?«
»Büro«, log er. »Hatte man mir so gesagt.«
Gegenüber vom Aufzug befand sich eine solide Tür mit Kartenleser und Überwachungskamera. Der Albaner holte seine Karte aus der Tasche, drückte sie vor das Lesegerät und stieß die Tür auf, gefolgt vom Wetterfrosch.
Sofort schlug Mr Frost der vertraute abgestandene Zigarrenrauch entgegen. Das Zimmer war klein, dunkel, fensterlos, mit billigem Teppichboden. Darin standen ein alter Metallschreibtisch, der nach Ramsch aussah, und ein Drehstuhl, an der Wand hingen ein Flachbildfernseher, auf dem ein Fußballspiel lief, und fünf weitere Monitore, die den Flur und das Außengelände in einem Radius von 360° zeigten.
»Du wartest.« Der Albaner öffnete eine weitere Tür und schloss sie hinter sich. Kurz darauf erklangen laute Stimmen. Mr Smith brüllte, doch die Worte waren nicht zu verstehen.
Der Wetterfrosch schaute auf den Fernseher. Es war Mittag, was ihm auch nicht passte. Venner hatte ihn diese Woche nun schon zum zweiten Mal um diese Zeit herbestellt. Er konzentrierte sich auf ein winziges Stück Silberfolie, das in einer Teppichfaser hing, und fragte sich, ob er den Mut aufbringen würde, Venner den Laufpass zu geben. Dann schaute er hoch und wünschte, es liefe Star Trek statt Fußball. Star Trek gab ihm Mut und Inspiration, er dachte sich in die Figuren hinein. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt …
»Hrm.« Der Mann, der kein Angsthase war , räusperte sich und überlegte erneut, ob er den Mut aufbringen würde. Carl Venner wäre sicher nicht erfreut …
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Venners Tür aufging und die Stimme des fetten Mannes mit ihrem gedehnten Louisiana-Akzent rief: »Schaff mir die kleine Schlampe aus den Augen, die Hure hat mich gebissen!«
Kurz darauf taumelte ein verängstigtes Mädchen aus dem Raum. Es hatte osteuropäische Züge, langes braunes Haar, eine schlanke Figur und trug einen grellen Lippenstift, der völlig verschmiert war. Dazu nuttige Schuhe, ein tief ausgeschnittenes Top und einen Mini, der eher wie ein Gürtel aussah. Das rechte Auge war angeschwollen, die linke Wange stark gerötet und aufgeplatzt. Beide Arme waren mit blauen Flecken übersät.
Der Wetterfrosch schätzte sie auf höchstens zwölf.
Sie schaute ihn hilfesuchend an, doch er wandte sich ab und fixierte wieder das Stückchen Silberfolie auf dem Teppich. Wohl war ihm nicht dabei, doch was sollte er tun. Seine Entschlossenheit, sich von Venner zu trennen, wuchs, aber er hatte sein Geld noch nicht bekommen.
Der Albaner richtete in einer fremden Sprache ein paar scharfe Worte an das Mädchen. Es antwortete mit erhobener Stimme, die ziemlich frech klang, schaute noch einmal flehend den Wetterfrosch an, doch er blickte nur murmelnd auf den
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