Stirb schön
verlassen die meisten Studenten die Uni mit Darlehen, die sie jahrelang abzahlen müssen. Der Begleitservice bietet eine Alternative. Es ist ein schönes Gefühl, die Mädchen zu unterstützen.«
»Gewiss doch«, meinte Grace sarkastisch, »und bei all dem Geld, das Janie Ihnen einbrachte, haben Sie sich nicht weiter für die Treffen mit Anton interessiert. Wie viele Mädchen haben Sie in Ihrer Kartei?«
»Etwa dreißig. Und zehn Männer.«
»Mit Fotos?«
»Ja.«
»Ich möchte mal die von Janie sehen.«
Sie holte einen Ordner aus einem Aktenschrank und nahm ein Foto in Zellophanhülle heraus.
Es hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Bildern, die er im Haus ihres Vaters und in ihrer Wohnung gesehen hatte. Eine völlig andere Janie, eine Königin der Nacht.
Sie lag in verführerischer Pose auf einem Leopardenfell, in superknappen Leder-Hotpants, die schwarze Spitzenbluse bis zum Nabel aufgeknöpft, die Brüste fast gänzlich entblößt.
Er reichte das Foto an Branson weiter. »Reine Begleiterinnen«, sagte er spöttisch. »Für gesellschaftliche Anlässe, nehme ich an,«
»Sicher doch.«
»Claire, ich bin nicht so blöd, wie ich aussehe. Sie ging auf den Strich, oder?«
»Wenn ja, dann ohne unser Wissen.«
»Wo werben Sie?«
»In Zeitschriften und im Internet.«
Grace nickte. »Und woher bekommen Sie Ihre Klienten?«
»Das ist unterschiedlich, aber es läuft viel über Mundpropaganda.«
»In welchen Zeitschriften?«
Claire zögerte. »Kontaktmagazine, Tourismusbroschüren, Lokalzeitungen, ein oder zwei Fachzeitschriften.«
»Fachzeitschriften?«
Nach erneutem Zögern sagte sie: »Hauptsächlich für Fetischisten, Leute, die auf Gummi, Fesselspiele und so was stehen.«
»Und so was?«
Achselzucken.
»Lässt sich irgendwie feststellen, wie dieser Anton an Ihre Nummer geraten ist?«
Sie schaute in den Ordner und zog eine Karteikarte heraus. »6. Mai. Anton. Starker europäischer Akzent, habe ich daneben geschrieben. Er sagte, er habe die Anzeige aus The List. «
Grace kannte den Namen, es war ein lokales Anzeigenblatt.
Das Telefon klingelte. Sie versuchte blinzelnd, die Karteikarte zu entziffern. »Er wollte Fotos von den Mädchen sehen, also habe ich ihn auf die Website verwiesen. Etwa eine halbe Stunde später rief er wieder an und sagte, er wolle sich mit Janie treffen. Ich habe seine Nummer hier!«
Grace setzte sich abrupt auf, genau wie Branson. »Tatsächlich?«
»Ich notiere mir aus Sicherheitsgründen immer eine Rückrufnummer, unter der die Klienten zu erreichen sind.«
»Dürfte ich die bitte haben?«
Er schrieb sie mit und wählte sie umgehend auf seinem Mobiltelefon. Kein Anschluss unter dieser Nummer. »Verdammt!«
»Können Sie uns sonst noch was über diesen Anton erzählen?«
»Leider nicht. Meinen Sie, er hat – er könnte derjenige gewesen sein …?«
»Wenn er sie nicht ermordet hat, war er immerhin einer der Letzten, die Janie lebend gesehen haben. Rufen die Mädchen nach den Treffen an?«
»Manchmal, je nach Uhrzeit.«
»Also hat sie am Dienstag nach ihrer Verabredung mit Anton nicht angerufen?«
»Nein.«
»Und Sie wollten ihr für Mittwoch ein weiteres Treffen vermitteln?«
Sie schaute in ihre Unterlagen. »Ja.«
Grace nickte. »Wir überprüfen ihn vorsichtshalber.«
»Sie werden hoffentlich diskret vorgehen.«
»Ich setze meinen diskretesten Mann darauf an.« Roy Grace grinste in sich hinein. Norman Potting wäre der richtige Mann für die Aufgabe. Der DS war so diskret wie ein Elefant auf Rollschuhen in einem Porzellanladen.
29
UM VIER UHR wurde es in Toms Büro allmählich leer. Typisch Freitag, dachte er. Draußen war es schön sonnig, die Wettervorhersage klang viel versprechend. Nacheinander hatten seine Mitarbeiter ihre Schreibtische aufgeräumt, sich fröhlich verabschiedet und waren zur Tür hinaus verschwunden.
Er beneidete sie um ihre sorglosen Wochenenden und konnte sich kaum erinnern, wann er sich zuletzt richtig entspannt und nicht an die Arbeit gedacht hatte. Wann er nicht am Computer gesessen, über einer Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben gebrütet oder Kellie ängstlich über die Schulter gelinst hatte, wenn sie mit der Tastatur vor dem Fernseher hockte.
Sein Fenster war trotz des Verkehrslärms leicht gekippt, und er spürte die angenehm milde Luft. Vielleicht könnte er an diesem Wochenende ein wenig abschalten, sofern die dunkle Wolke, die über ihm hing, es zuließ. Gut, dass Kellie einen Job gefunden hatte – sie
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