Stirb schön
zögerte.
»Warum machst du dir und Jessica nicht ein Müsli?«, schlug Tom vor.
Unwillig drehte der Junge ab und trottete in die Küche.
Tom schloss die Haustür. »Gibt es etwas Neues?« Jessicas Bemerkung über den Wodka ging ihm nicht aus dem Kopf. Was hatte seine Tochter nur gemeint?
»Wir haben bei Ditchling Beacon den Audi Kombi gefunden, den Ihre Frau gefahren hat«, erklärte Glenn Branson ruhig. »Er war ausgebrannt, wurde vermutlich irgendwann heute Morgen von Vandalen angesteckt. Wir haben die Fahrgestellnummer überprüft, der Wagen war auf Sie zugelassen.«
Tom starrte ihn entsetzt an. »Ausgebrannt?«
»Leider ja.«
»Und meine Frau?« Er begann haltlos zu zittern.
»Es saß niemand drin. Kommt am Wochenende andauernd vor. Jugendliche klauen Autos, fahren damit herum und fackeln sie später ab. Entweder aus Spaß oder wegen der Fingerabdrücke. Meist wegen beidem.«
Tom musste die Nachricht erst verdauen. »Sie hat lediglich unsere Babysitterin nach Hause gefahren. Wie zum Teufel konnte dabei der Wagen geklaut werden?«
Das wusste auch der Detective Sergeant nicht.
47
BRIGHTON AND HOVE hatte tatsächlich viele Gesichter, dachte Grace, und auch die Einwohner waren bunt gemischt. In anderen Städten hatte man Viertel, in denen bestimmte ethnische Gruppen zusammenfanden, doch traf man hier eher auf soziologische Gemeinschaften.
Zum einen gab es die gut situierten Älteren, die in herrschaftlichen Mehrfamilienhäusern oder Seniorenresidenzen lebten. Sie schauten sich Kricketspiele an oder spielten Boccia auf den Rasenflächen von Hove, saßen auf der Promenade oder am Strand und überwinterten, falls sie es sich erlauben konnten, in Spanien oder auf den Kanaren. Die ärmeren Senioren hingegen verbrachten den Winter und auch den halben Sommer in ihren feuchten, dunklen Sozialwohnungen.
Daneben gab es die protzige Mittelklasse mit den schicken Doppelhaushälften in Hove 4 und jene, die sich dezenter gab und in den schönen Villen am Meer lebte. Wer es bescheidener hielt wie Grace, zog in den Westen und den Vorort Southwick, der unmittelbar hinter dem Hafen von Shoreham gelegen war, in preisgünstige Nischen in der City und bis hinaus in die Downs.
Brighton and Hove verdankte seine Farbe und Vitalität nicht zuletzt der sehr präsenten schwulen Gemeinde und den zahlreichen Studenten, die die Sussex und Brighton University und die zahlreichen Colleges besuchten und sich überall in der Stadt ausgebreitet hatten.
Dann waren da noch die Kriminellen. Manche traten ganz offen auf wie die Drogenhändler, die sich in den heruntergekommenen Gegenden tummelten und beim Anblick eines Streifenwagens abtauchten. Die Oberklasse bildeten die unsichtbaren Kriminellen, die elegant hinter den hohen Mauern der Dyke Road Avenue und ihren baumbestandenen Nebenstraßen residierten.
Am Rande der Stadt drängten sich Wohnblocks wie Moulscombe und Whitehawk, die seit langem als Brennpunkte der Kriminalität und Gewalt galten, was Grace durchaus ungerechtfertigt fand. Kriminalität und Gewalt gab es in der ganzen Stadt, doch die Leute fühlten sich einfach besser, wenn sie mit dem Finger auf die Wohnblocks zeigen konnten, als gediehe dort eine völlig fremde Spezies, mit der sie nichts zu tun hatten. In Wirklichkeit lebten dort meist anständige Menschen, die sich keine Selbstgefälligkeit leisten konnten.
Und letztlich gab es die traurige Unterschicht. Trotz regelmäßiger Versuche, Obdachlose von der Straße zu holen, tauchten sie, sobald es wärmer wurde, vor den Geschäften, in Hauseingängen, auf Gehwegen und an Bushaltestellen auf. Es war schlecht für den Tourismus und noch schlechter für das Gewissen der Stadt.
Wenn im Mai das Festival begann, tauchten vor allen Cafés, Restaurants und Kneipen Tische und Stühle auf, die Straßen erwachten zu neuem Leben. Manchmal war es fast wie am Mittelmeer, dachte Grace. Doch dann zog wieder eine Kaltfront über den Kanal, ein heulender Südwestwind ließ den Regen auf die Tische prasseln und peitschte gegen die Fenster der Boutiquen, in denen Schaufensterpuppen in Badekleidung standen.
Das Herz der Stadt schlug in der Gegend um den Palace Pier, in den Regency-Häusern von Kemp Town, wo Janie Stretton gewohnt hatte, in The Lanes, wo die Antiquitätenhändler residierten, und im Viertel North Laine, wo sich kleine Szeneläden und winzige Stadthäuser drängten. Hier wohnte Cleo Morey in einer umgebauten Fabrik.
Nick Nicholas steuerte den neutralen Ford Mondeo. Grace
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