Stirb schön
saß auf dem Beifahrersitz und tippte Notizen in seinen Blackberry, hinter ihm Norman Potting. Sie fuhren die London Road in Richtung Meer. Meist herrschte hier dichter Verkehr, aber am frühen Sonntagmorgen hatten sie die Straße bis auf ein paar Busse für sich allein.
Grace sah auf die Uhr. Hoffentlich dauerte das Gespräch mit Reggie D’Eath nicht allzu lange, denn dann könnte er noch einige Stunden mit seinem Patenkind verbringen. Fürs Mittagessen würde es reichen, wenn auch nicht für die Giraffen.
Sie kamen am Royal Pavilion vorbei, dem Wahrzeichen der Stadt. Keiner warf einen Blick darauf, es gehörte zu den Orten, die so vertraut waren, dass sie praktisch unsichtbar wurden.
Das mit Türmchen und Minaretten verzierte Bauwerk im Stil eines indischen Palastes wurde von George IV. der hier seine Mätresse Mary Fitzherbert unterbrachte, Ende des 18. Jahrhunderts in Auftrag gegeben. Seither gilt es als eine der prachtvollsten Bumsbuden der Welt.
Sie hielten am Kreisverkehr, der genau vor dem schrillbunten Palace Pier lag. Vor ihnen überquerte eine langbeinige Blondine in einem Rock, der kaum den Hintern bedeckte, die Straße. Sie schwang ihr Täschchen und warf ihnen einen koketten Blick zu.
Potting, der einige Minuten geschwiegen hatte, murmelte: »Na los, Püppchen, bück dich und zeig uns deine Muschi.«
Im Verkehr tat sich eine Lücke auf, Nick Nicholas bog nach links ab.
»Klasse Weib, was?«, meinte Potting und schaute aus dem Rückfenster.
»Klasse schon, nur leider ein er «, korrigierte ihn Nick.
»Leck mich doch!«, knurrte Potting.
»Lieber nicht«, versetzte der DS.
Sie fuhren die Marine Parade entlang, vorbei an einem Nachtklub, vor dem Glasscherben und Fastfood-Schachteln lagen, dem trendigen Van-Alen-Building und den schwarz-weißen Regency-Fassaden am imposanten halbkreisförmigen Sussex Square, an dem laut Auskunft von Glenn Branson einmal Sir Laurence Olivier gewohnt hatte.
»Red keinen Scheiß«, meinte Potting. »Die war Spitzenklasse!«
»Großer Adamsapfel, daran kann man’s erkennen«, konterte der DS.
»Fick dich ins Knie.«
»Das hätte der da drüben sicher gern getan, wenn Sie ihn nett gefragt hätten.«
»Es sollte verboten sein, dass Schwuchteln so auf der Straße rumlaufen.«
Grace drehte sich um. »Norman, Sie sind ziemlich grob. Das kann ganz schön beleidigend wirken.«
»Tut mir Leid, Roy, aber ich finde warme Brüder nun mal auch beleidigend. Werd’s nie verstehen.«
»Nun ja, zufällig ist Brighton die Schwulenhauptstadt Großbritanniens«, erwiderte Grace gereizt. »Falls das ein Problem für Sie darstellt, haben Sie den falschen Job oder den falschen Wohnort.« Und du bist ein Riesenarsch, und mir wäre es am liebsten, du würdest aus meinem Auto und meinem Leben verschwinden , hätte er gern hinzugefügt. Er durchwühlte seine Tasche nach Paracetamol.
Rechts blähten sich die Segel der Jachten, die soeben den Hafen für eine Sonntagsregatta verlassen hatten.
»Ist der Typ, mit dem wir gleich reden, auch einer von denen?«, erkundigte sich Potting.
»Keine Sorge«, erwiderte Nick Nicholas, »der steht auf Mädchen – allerdings nur, wenn sie nicht älter als vier sind.«
»Das kann ich nun gar nicht verstehen.«
Grace warf knurrend noch eine Tablette ein und dachte: Da haben wir zur Abwechslung mal was gemeinsam.
Sie fuhren eine steile Anhöhe hinter Rottingdean hinauf, vorbei am Kricketplatz einer Grundschule. Dann bogen sie in eine ruhige Wohnstraße ein, die von Bungalows gesäumt war, eine Gegend, in der alles auffallen würde, das nicht der Norm entsprach. Davon zeugten auch die gelben Aufkleber von Neighbourhood Watch.
Eine gute Lage, um jemanden sicher zu verstecken, dachte Grace, ihn störte nur eine Kleinigkeit. Wie konnte man einen Pädophilen gleich um die Ecke einer Grundschule unterbringen?
»Erwartet uns Mr D’Eath?«, fragte Nicholas.
»Mit dem Morgenkaffee und einer Schachtel ›Under Eight‹«, witzelte Potting.
Grace ignorierte den geschmacklosen Scherz. »Die Frau vom Zeugenschutzprogramm hat gesagt, sie hätte ihm eine Nachricht hinterlassen.«
Sie hielten vor Haus Nr. 29. Die Bungalows aus den fünfziger Jahren wirkten ein wenig heruntergekommener als die übrigen Häuser, der braune Rauputz war schadhaft, Türen und Fensterrahmen mussten dringend gestrichen werden. Der kleine Vorgarten sah trostlos aus und erinnerte Grace daran, dass er an diesem Wochenende den Rasen hätte mähen müssen. Eigentlich war heute
Weitere Kostenlose Bücher