Stirb
Altherrengesichtswasser und kaltem Zigarettenrauch war hier noch deutlich stärker als im Flur.
Nach dem Verursacher musste Kern nicht lange suchen. Im hereinfallenden Licht erkannte er Harald Linz in einem Schaukelstuhl. Der Mann schien mit dem Kinn auf der Brust eingenickt zu sein. Auf seinem Schoß lag eine dicke Katze.
Kern ließ seinen Blick noch einmal kurz durch den Raum schnellen, dann klopfte er zweimal lautstark gegen den Türrahmen.
Nach einer Weile schlug Linz die Augen auf. »Wer … wer sind Sie?«, lallte er. »Wie sind Sie hier reingekommen?«
»Durch die Tür«, antwortete der Polizist, steckte seine Waffe weg und zückte seinen Dienstausweis. »Kommissar Magnus Kern, Mordkommission Berlin. Können wir uns kurz unterhalten?«
Mühsam hielt Harald Linz die Augen offen. Er trug ein versifftes Unterhemd, seine kupferfarbenen Haare standen ihm zu Berge.
»Herr Linz?«
Der Mann gab weder eine Antwort, noch machte er Anstalten, sich von seinem Schaukelstuhl zu erheben. Stattdessen strich er seelenruhig über das getigerte Fell der Katze.
»Herr Linz, es geht um den Mord an Ihrer Frau. Dürfte ich Ihnen dazu ein paar Fragen stellen?«
»Den fetten Kater hat sie jeden Tag gefüttert …«
»Herr Linz, ich …«
»Jeden verdammten Tag«, krächzte der Mann und vergrub seine kurzen, fleischigen Finger im Fell des Tiers. »Das verfluchte Katzenfutter hat sie drüben beim Gruber gekauft.«
Kern machte zwei große Schritte zum Fenster und riss die zugezogenen Vorhänge auf.
»He, lassen Sie das!« Linz schleuderte den maunzenden Kater von seinem Schoß und beschattete seine Augen mit den Händen vor dem hereinfallenden Tageslicht.
»Alles, was ich weiß, hab’ ich längst dem Petzold und seinen Leuten erzählt …«
»Ts, der Petzold und seine Bürohengste – deren kriminalistische Kompetenz geht doch nicht über Taschendiebstahl hinaus«, sagte Kern mehr zu sich und musterte Harald Linz.
»Dann dürfte es Ihnen ja nicht schwerfallen, Ihre Angaben noch einmal zu wiederholen.«
Schief lächelnd sah Linz auf.
»Machen Sie Witze?«
Der Polizist verschränkte die Arme.
»Sehe ich so aus?«
Linz brummte nur.
»Ich nehme an, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mich hier im Haus einmal umsehe?«
»Und ob ich das habe!«, protestierte Harald Linz. »Solange Sie keinen Durchsuchungsbefehl aus der Tasche ziehen, schnüffeln Sie hier nirgendwo herum!«
»Herr Linz, Sie wollen doch auch, dass der Täter gefasst wird.« Kern steckte seine Hände in die Hosentaschen und legte eine kurze Kunstpause ein. »Oder etwa nicht?«
Der Mann blieb stumm. Dann streckte er seine Hand nach der Schnapsflasche aus, die unter einem mickrigen Plastikchristbaum vom Vorjahr lag. Er nahm einem kräftigen Schluck.
»Meine Frau ist tot – und das können weder Sie noch sonst irgendwer ändern!«
Kern seufzte.
»Hören Sie, ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es für Sie sein muss, einen so nahestehenden Menschen zu verlieren …«
»Gar nichts können Sie! Und überhaupt, was wissen Sie schon, Herr Superbulle aus Berlin. Kommen nach Rügen und spielen sich auf, dabei haben Sie nicht die geringste Ahnung, was hier abläuft …«
»Tja, dann sagen Sie’s mir doch, Herr Linz.« Er klang gereizt.
Der Mann schüttelte den Kopf, er wirkte abwesend.
»Waren Sie schon mal verheiratet?«
Kern rieb sich den Nacken.
»Nein.« Und dieses Mal war er es, der seinen Blick zuerst abwandte. »Ihre Frau war auf dem Nachhauseweg vom ›Burlacher Hof‹«, wechselte er rasch das Thema und fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Unterlippe, »und wenn ich recht informiert bin, hat sie immer den gleichen Weg durch den Wald genommen.« Er neigte den Kopf und blickte Linz aus schmalen Augen an. »Wäre es denkbar, dass sie hin und wieder auch eine andere Route genommen hat?«
»Ich wüsste nicht, wozu«, stieß Linz keuchend aus und schielte auf seine Schnapsflasche.
Kern räusperte sich.
»Herr Linz, wann haben Sie Ihre Frau zuletzt gesehen?«
»Na, am Sonntag. Sie hatte bei so ’nem Preisausschreiben ’nen Wochenendausflug gewonnen – ich hab ihr ja gleich gesagt, dass das Humbug ist, aber sie wollte ja nicht auf mich hören und da unbedingt mitmachen. Jedenfalls hatte ich natürlich recht, der angebliche Wellness-Trip hat sich als Bauernfängerei entpuppt, und sie kam schon am Sonntag wieder zurück, so gegen fünf, halb sechs …«
»Und Sie haben den ganzen Abend nichts mehr von Ihrer Frau gehört?«
Ein
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