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Stirb

Stirb

Titel: Stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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ließ der Mann abrupt von ihr ab.
    Und kurz darauf waren seine Schritte schon so gut wie verklungen. Als sie die Augen endlich zu öffnen wagte, war jegliches Licht um sie herum erloschen.
    ***
    Lara starrte in das Schwarz der Nacht hinein, während ihre Tränen lautlos im Kopfkissen versickerten und ihre Gedanken unentwegt um ihre Tochter kreisten.
    Warum Emma? Warum hat er nicht mich genommen?
    Und dann waren da noch die Fragen, die die Polizisten ihr gestellt hatten. Was hatte ihre Mutter mit all den Morden zu tun? Warum war der Trancheur so sehr auf sie fixiert? Und weshalb hatten all die Frauen an ihrer Stelle sterben müssen?
    Sie stieg aus dem Bett, ging benommen zum Fenster und sah in die Dunkelheit hinaus, als ob sie da draußen eine Antwort auf das alles fände.
    Mit einem Mal erwachte eine vage Erinnerung in ihr. Lara knipste die Nachttischlampe an und lief zum Kleiderschrank. Sie zog einen Stuhl heran und stieg auf das Polster. Blind tastete sie durch das oberste Schrankfach mit den aussortierten Schuhen und Handtaschen. Fand ihre alte Jeansjacke, bevor ihr hinter einem der Schuhkartons der Elektroschocker in die Hände fiel, den Torben ihr damals geschenkt hatte. Lara nahm ihn heraus. Dann suchte sie weiter, bis sie es Momente später schließlich in den Händen hielt: das Kuvert mit den alten Filmspulen – den einzigen Erinnerungsstücken, die sie noch von ihrer Mutter besaß. Lara hielt einen Moment lang inne und spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Nicht alle Spulen hatte sie bis zum Ende angeschaut – und das aus gutem Grund und nicht etwa, weil sie schon lange keinen Super-8-Projektor mehr besaß. Bisher hatte sie einfach keinen Gedanken daran verschwendet, dass dieses Filmmaterial in irgendeiner Weise für die Ermittlungen relevant sein könnte.
    Und obwohl sie auch jetzt noch bezweifelte, dass sich darauf auch nur der allerkleinste Hinweis verbarg, wollte sie Sylvia Hausmann die Aufnahmen keinesfalls vorenthalten.
    Sie stieg vom Stuhl, machte auf dem Kuvert eine kurze Notiz für Hausmann und schlich damit barfuß das unbeleuchtete Treppenhaus hinunter. Im Erdgeschoss legte sie den Umschlag vor Hausmanns Zimmertür, als sie dahinter plötzlich Stimmen vernahm. Die Hände flach an die Tür gelegt, lauschte sie, wie Hausmann mit Magnus Kern diskutierte.
    »Wir verlieren zu viel Zeit«, hörte sie die Kommissarin sagen. »Er lässt seine Opfer nie länger als zweiundsiebzig Stunden am Leben, meist kürzer.«
    Lara hielt den Atem an.
    »Seien wir ehrlich, Sylvia, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass dieses Mädchen nicht längst irgendwo in der Ostsee treibt.«
    »Jetzt mach aber mal ’nen Punkt, Magnus!«
    »Ach komm schon, ich weiß ja, wie sehr dir die Sache zusetzt, und glaub bloß nicht, mir ginge das Ganze nicht auch nahe – aber Emma ist so gut wie tot, das weißt du ebenso gut wie ich.«
    Lara schluckte und hatte augenblicklich das Gefühl, ohne Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Sie hielt sich den Mund zu, um nicht zu schreien, trat von der Tür zurück, als ob diese in Flammen stünde, und eilte weinend die Treppen hinauf ins Schlafzimmer.
    Sie lag erst wenige Minuten im Bett, da klopfte es an der Tür. Lara knipste die Nachttischlampe an und richtete sich im Bett auf, als sich die Tür öffnete. Im Flur stand Arne. »Darf ich kurz reinkommen?« Er versuchte zu lächeln. »Es gibt da etwas, was ich dir vielleicht sagen sollte …«, tat er geheimnisvoll.
    Lara starrte ihn an, die Lider rot gerändert und geschwollen von zu vielen Tränen. Sie gab keine Antwort, was Arne als ein Ja gedeutet haben musste, denn er trat ein, schloss die Tür hinter sich und setzte sich zu ihr ans Bett.
    »Du siehst schrecklich aus.«
    »Danke«, flüsterte Lara heiser.
    »Hier, wird dir guttun«, sagte er und reichte ihr das Glas Rotwein in seiner Hand.
    Ganz langsam hob Lara den Blick. Ihre Finger umschlossen das Glas wie von selbst. Sie nahm einen Schluck und spürte, wie ihr der Wein die Kehle hinunterfloss.
    »Ich will das alles gar nicht wahrhaben, was hier passiert«, stammelte Arne. Er zog Lara an sich und streichelte ihr sanft über das Haar. »Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, das dürfen wir einfach nicht …« Sein Optimismus klang aufgesetzt, trotzdem wollte Lara ihm glauben und erwiderte seine Umarmung, die genau das war, was sie jetzt brauchte.
    Eine ganze Weile saßen sie nur da und hielten sich fest umschlungen, und Lara spürte, wie gut es ihr tat, in den Arm genommen

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