Stoer die feinen Leute nicht
adressiert war.“
„Nein, ich war’s nicht. Warum auch?“
Kuschka grinste. „Bei der Zahl Ihrer Verehrer!“
„Oder haben Sie denn jemand gesagt, wo ich wohne?“
Biebusch reagierte unwirsch, er wollte endlich arbeiten. „Nein!“
Damit war die Sache erledigt. Katja hatte auch kein anderes Ergebnis erwartet.
Rätselhaft. Katja seufzte und machte sich über die Chronik her. Sie war herrlich uninteressant. 3000 v. Chr. erste Besiedlung der Uferdüne der Bramme. Um 15 v. Chr. etwa eroberten Soldaten des Kaisers Tiberius die kleine Siedlung (Helme und Schwerter im Heimatmuseum). Um 780 n. Chr. Christianisierung durch den angelsächsischen Priester Willehad, den Karl der Große ausgeschickt hatte. 820 Bau einer hölzernen Basilika durch den Erzbischof von Bremen. 1012 das Marktrecht durch Kaiser Heinrich II. 1547… Katja gähnte. Wann sie wohl zum Mittagessen gingen?
Das Telefon schrillte. Biebusch nahm den Hörer hoch und meldete sich.
„Ja, bitte? Wie war der Name…? Ah, Herr Kossack, ja… Ja, ich habe schon von Ihnen gehört; Sie sind Stadtrat und Wahlkampfleiter der… Ja, genau! Das ist nett, daß wir uns auch einmal… Ja. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein…?“
Biebusch hatte ein typisches Verkäuferlächeln aufgesetzt. Doch langsam erstarrte dieses Lächeln. Er wurde kreidebleich. Er sah Katja an, sein Atem rasselte wie vor einem Asthmaanfall. Die Finger der freien Hand zitterten leicht. Er knickte die Seite des Haushaltsplans um.
„Ist gut, Sie hören von mir…“ Keuchend legte er den Hörer auf die Gabel zurück.
„Was ist denn?“
„Ist was passiert? Ihre Frau…?“
„Sagen Sie doch!“
Alle drei waren sie erschrocken über Biebuschs Reaktion.
Biebusch atmete tief durch, schluckte eine Tablette. „Etwas sehr Unangenehmes…“ Er erklärte ihnen etwas umständlich, wie um Zeit zu gewinnen, in welcher Partei der Anrufer welche Funktionen innehatte. „Kossack hat gute Beziehungen zum Verfassungsschutz und zur Sicherungsgruppe Bonn. Er sagt, er habe Beweise dafür in der Hand, daß Sie, Fräulein Marciniak, mit Leuten der Baader-Meinhof-Gruppe befreundet sind – befreundet gewesen sind…“ Er nannte einige Namen.
Katja fuhr hoch. „Na und? Ja – ich habe mit denen mal im selben Haus gewohnt und mit ihnen gesprochen, klar… Woher sollte ich wissen, was mal ein Jahr später los ist? Diese… diese…“ Die Empörung trieb ihr die Tränen in die Augen.
„Kossack hat mir ein Ultimatum gestellt“, fuhr Biebusch fort und sah Katja mit zusammengekniffenen Augen an. „Entweder Sie scheiden aus meiner Arbeitsgruppe aus und fahren noch heute abend nach Berlin zurück – oder aber er will dafür sorgen, daß das ganze Projekt ins Wasser fällt.“
4
Kämena dankte zum drittenmal für den Sessel, den Frau Magerkort ihm anbot, und sah ein wenig verärgert auf den Postoberschaffner hinunter, der bleich und schläfrig auf seiner Couch lag, zwei Kissen unter dem Kopf.
„Ich kann Ihnen wirklich nichts weiter sagen, Herr Kommissar!“
Kämena trat an das Aquarium und sah mit einem gewissen Mißbehagen hinein. Er mochte keinen Fisch, und er mochte keine Fische. Das lag wohl daran, daß er als Sohn eines Fischmeisters aufgewachsen war, hinten am Brammer Meer, bevor man die Autobahn ins Ruhrgebiet gebaut hatte. Keine Zeit zum Spielen, immer mithelfen, nichts Vernünftiges zu essen, immer nur Fisch… Und dieser dußlige Magerkort machte noch ein Hobby daraus.
„Ich habe nur einen dunklen Schatten gesehen, sonst nichts. Und da hatte ich schon den Wattebausch mit dem Chloroform im Gesicht.“
Kämena zog die Mundwinkel noch weiter herab. Das Ganze paßte ihm nicht. Es war doch unsinnig, daß jemand einen Briefträger überfiel, ein Bündel Briefe an sich riß und dann verschwand.
„… alle Sendungen, die für die Knochenhauergasse bestimmt waren“, ergänzte Magerkort seinen Bericht.
Kämena sah ihn an, als wäre er selber schuld an der ganzen Geschichte. So was Blödes! Wer weiß, was dahintersteckte. Ein persönlicher Racheakt vielleicht? „Haben Sie Feinde, Herr Magerkort?“
„Feinde? Nein… Das würde keiner machen.“
Kämena verspürte einen heftigen Schmerz rechts unterhalb des Nabels. Der Blinddarm? Schon wieder was Neues. Dauernd hatte er was. Er wußte, daß seine Kollegen seine Krankheiten zählten, im Augenblick waren sie bei fünfunddreißig angekommen, und von ihm behaupteten, er hielte sich allein durch seine Krankheiten gesund.
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