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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Weg…“
    Biebusch verzog das Gesicht. „Wir werden sehen, ob wir noch Zeit dafür…“
    Frau Haas ließ sich nicht stoppen. „Interessant ist auch, wie sich die Sozialisationsprozesse in Bramme gestalten, in der Familie, in der Schule, im Konfirmandenunterricht: was hat sich da alles verändert? Welche Konflikte gibt es in Bramme, wie stark ist die Jugend integriert, welches Weltbild haben die Leute, welche Werte vertreten sie, in welcher Situation befinden sich die Industriearbeiter, wer beherrscht die öffentliche Verwaltung, wie sieht es mit der Emanzipation der Frau aus, wie hat sich die Kriminalität entwickelt…“
    Nun kam Kuschka Biebusch zur Hilfe. „Unser Hauptaugenmerk richten wir aber auf das, was Professor Biebusch dargelegt hat: auf die soziale Schichtung und den sozialen Wandel.“
    Corzelius grinste. „Und wie wollen Sie das alles in den Griff bekommen?“
    Biebusch ließ ihn kaum die Frage formulieren. „Erstens haben wir die letzte Volkszählung als zuverlässige Informationsquelle, zweitens werden wir alle statistischen und dokumentarischen Quellen auswerten, die uns zur Verfügung stehen – Unterlagen des Standesamtes und Unterlagen über die Stadtratswahlen, natürlich auch die Nachkriegsjahrgänge Ihrer Zeitung…“
    „Dann werden wir ja Fräulein Marciniak des öfteren bei uns zu sehen bekommen“, sagte Corzelius.
    Katja sah ihn an. „Aber nur wenn Sie aufpassen, daß ich mich nicht mit den Tageblättern infiziere.“
    Biebusch ignorierte das. „Drittens werden wir alle Schlüsselpersonen in Bramme interviewen, also die führenden Politiker und Industriellen, die Schulleiter, die Vereinsvorsitzenden, die Pfarrer; ferner einige Ärzte, Apotheker, Behördenleiter, Künstler, Redakteure, Rechtsanwälte und so weiter; also alle Personen, die auf Grund ihrer Stellung oder ihres Berufs als besonders gut informiert gelten können… Und… äh…“ Für einen Augenblick verlor er den Faden.
    Sofort sprang Kuschka ein. „Damit werden wir den größten Teil unserer Zeit in Bramme verbringen: Auswertung der Quellen und Informationsgespräche. Der vierte Schritt…“
    „… besteht dann in einer standardisierten Befragung“, fuhr Biebusch fort. „Wir ziehen eine repräsentative Stichprobe aus der erwachsenen Bevölkerung von Bramme – etwa tausend Personen. Diesen tausend Personen werden wir einen vielleicht siebzig Fragen umfassenden Fragebogen vorlegen und sie um ihre Antworten bitten.“
    „Das schaffen Sie doch nicht zu viert, oder?“
    „Nein, nein! Dafür setzen wir die professionellen Interviewer eines Meinungsforschungsinstituts ein. Die werden das in etwa drei Wochen erledigen.“
    „Okay!“ Corzelius stoppte sein Tonband. „Ich werd mal sehen, was sich daraus machen läßt. Klingt ja alles ganz ordentlich. Ich schicke Ihnen nachher den Fotografen rüber, damit er Sie mal knipst.“
    Katja lachte. „Unterschrift: Die Biebusch-Thinkers!“
    Corzelius grinste; dann sagte er: „Es wird ein fairer Bericht, mein Wort. Aber trotzdem wird es Leute in Bramme geben, die erst mal ordentlich bei Ihnen auf den Biebusch klopfen werden, ehe sie der Untersuchung innerlich zustimmen.“
    Katja schmunzelte, Frau Haas grinste, Kuschka guckte leer und Biebusch grimmig. Corzelius griff sich sein Aufnahmegerät.
    „Kann mir vielleicht noch einer genau sagen, was Soziologie eigentlich ist?“
    Biebusch war nahe daran zu platzen.
    Kuschka und Frau Haas versuchten es mit diversen Definitionen, aber erst Katja vermochte Corzelius zufriedenzustellen.
    „Soziologie ist die Wissenschaft, die herauszubekommen sucht, was Soziologie ist!“
    Corzelius lachte sich halbtot, Frau Haas grinste noch hämischer, Kuschka tat uninteressiert, Biebusch begann angewidert in seinen Akten zu blättern, und Katja bereute ihr vorlautes Mundwerk.
    „Endlich!“ sagte Biebusch, als Corzelius ihr kleines Büro verlassen hatte. Er machte sich an die Verteilung der Arbeit. Kuschka hatte sich mit dem Jahresbericht der Industrie- und Handelskammer Bramme zu befassen, Frau Haas mit der Analyse der letzten Kommunalwahlen und Katja durfte sich an Hand der Chronik von 1967 mit der Geschichte der Stadt vertraut machen.
    „Sagen Sie bitte, Herr Biebusch, haben Sie mir einen Brief in die Pension geschickt?“
    „Ich?“ Biebusch guckte ganz entgeistert. „Wieso?“
    Katja hatte irgendwie Hemmungen, ihnen die ganze Briefträgergeschichte zu erzählen. „Meine Wirtin glaubt, sie hätte einen Brief verlegt, der an mich

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