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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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stärker zu irritieren. „Wie gesagt, ich habe mit Dr. Trey gesprochen, dem Chefredakteur vom Brammer Tageblatt … Aber das werden Sie ja wissen. Und – “ er sah zur Decke – „und Dr. Trey hatte vorher mit Herrn Corzelius ge… hatte vorher eine Unterredung mit Herrn Corzelius… Daher weiß ich, daß Sie alles wissen…“
    „Was weiß ich?“ fragte Katja, obwohl es auf der Hand lag.
    „Mit Ihrer Geburt…“
    „Geburt? Wieso…?“
    „Ich meine… das davor.“ Zum erstenmal sah er sie an.
    „Ach so.“
    Er unternahm einen weiteren Anlauf: „Nicht, daß Sie denken… Ich will Ihnen helfen!“
    „Sie meinen die… Sagen wir, die Anschläge auf mich?“
    „Ja.“
    „Das haben Sie doch alles mit Ihrer Hetze provoziert, oder?“
    „Es tut mir leid“, sagte Kossack leise. „Ich mußte tun, was… Na ja.“
    Katja blieb mißtrauisch. Was hatte er vor? Sollte sie »umgedreht« werden, sollte sie für Kossacks Leute ausspionieren, was Biebusch vorhatte?
    „Lesen Sie bitte mal die Briefe hier“, sagte Kossack und schob ihr das Bündel zu.
    Katja stutzte. Wenn man genauer hinsah: altes, vergilbtes Papier. Das konnten unmöglich Magerkorts Briefe sein… Aha! Jetzt dämmerte es ihr. „Da steht drin, wer’s ist, was?“
    Kossack verstand sie offenbar nicht genau.
    „Na, wer’s war; wer meine Mutter…“
    Kossack breitete die Handflächen aus, hob leicht die Schultern. „So kann man’s nicht sagen, Fräulein Marciniak…“
    Sein unsicheres Lächeln ärgerte sie; sie fuhr ihn an: „Zeigen Sie schon her!“
    Dann knüpfte sie das blaue Bändchen auf, das die Briefe zusammenhielt.
    Nachkriegspapier, mit kleinen Holzspänen durchsetzt. Alte Marken, daneben kleine blaue Märkchen: Notopfer Berlin… Gott, war das Porto billig damals! Stempel von 1948 und 1949. Sie las die Adressen:
     
    Herrn
    Eberhard Kossack
    Bremen
    Auf den Häfen 23
     
    Immer dasselbe, wie auch der Absender:
     
    Marianne Marciniak
    Bramme
    Bürgermeister-Büssenschütt-Allee 112
     
    Jetzt fiel bei ihr der Groschen.
    Kossack, der Jugendfreund ihrer Mutter, erlebt, wie sie gewaltsam geschwängert wird und ein Kind zur Welt bringen muß, das er zeitlebens verabscheuen muß. Sie hofft, daß er sie trotz dieses Kindes heiratet, doch für ihn ist sie besudelt, unrein, nicht mehr als Ehefrau brauchbar, eine Zumutung für anständige Menschen. Es kommt zum Bruch. Als nun 22 Jahre später dieses Kind in Gestalt der Katja Marciniak wieder auftaucht, fühlt er seine Schuld und will sehen, wie er seine Vergangenheit am besten bewältigen kann.
    Sie zupft den ersten Bogen, rosa Papier, aus dem damals hastig aufgerissenen Umschlag. Dünn die königsblaue Tinte, breit der Füller, unregelmäßig die Schrift… Sie muß furchtbar nervös gewesen sein, drei Jahre jünger als ich, als sie das geschrieben hat. Sie muß mir ähnlich gewesen sein… Stark vereinfacht die Schrift, das und war nur ein langgezogener waagerechter Strich mit einem kurzen, vertikalen Strich dahinter. Die einzelnen Buchstaben waren vielfach variiert. Eine interessante Frau, eine Persönlichkeit. Sie muß viel geschrieben haben.
    Sie beneidete Kossack. Er hatte sie gekannt, erlebt, geliebt; er wußte, wer sie war, wie sie war; sie selbst besaß nur dunkle Erinnerungen; Bilder, die genausogut von der Großmutter vermittelt sein konnten.
    Kossack war ebenso nervös wie sie, spielte mit seinem goldenen Feuerzeug.
    Katja konzentrierte sich auf die Briefe. Hier mußte stehen, wer ihr Vater war, wer ihre Mutter überfallen hatte. Weshalb sollte Kossack sonst gekommen sein? Ob er beauftragt worden war, sich ihr Schweigen zu erkaufen?
    Sie überflog einen Brief nach dem andern, bildete, auf analytisches Denken gedrillt, sofort Kategorien.
    Politisches:… freue mich von ganzem Herzen, daß unsere Verwandten in Berlin nun wieder freier leben können und die schlimme Zeit der Blockade überstanden haben… Später ist sie nach Berlin geflüchtet.
    Berufliches:… dann an der Universität in Göttingen Geschichte, Germanistik und Geographie studieren und Studienrätin werden… Studienrätin? Paßt gar nicht so zu ihr. Ich hätte mich eher aufgehängt, als daß ich… Was machen wir aber mit Dir, mein armer Hardy? Du solltest eine Hotelfachschule besuchen und Sprachen lernen…
    Klatschhaftes:… Denk Dir nur, Bernharda wird von einem jungen Richter angehimmelt, der bei Großvater Nachhilfeunterricht in Wirtschaftsrecht nimmt…
    Erotisches:… vor dem Einschlafen liege ich noch

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