Stoer die feinen Leute nicht
hätte doch merken müssen, was mit dir los ist!“
Trey sah zu Katja hinüber. „Die Anschläge auf Sie gehen auf unser Konto – der Ladendiebstahl, der Stein, der Wagen, der Anruf. Und für die Sache mit Lemmermann ist Wätjen verantwortlich. Ebenso wie für den Überfall auf den Briefträger. Außerdem, aber das werden Sie sich ja denken können, hat Kossack von Buth Geld dafür bekommen, daß er Ihnen Ihren Vater und die ganze Liebesgeschichte vorgespielt hat.“
„Du gottverdammter Idiot…“ Buth wurde immer erregter.
„Bleib, wo du bist!“ Trey hielt die Waffe ganz ruhig. „Ich mach Schluß. Mein Gewissen…“
„Scheiß auf dein Gewissen!“
Trey ging zum Telefon hinüber. „Ich rufe jetzt Kämena an; in einer halben Stunde kann er hier sein. Wätjens Geständnis wird er schon haben.“
„Nein. Der hält den Mund…“ Buth versuchte es noch einmal: „Sei doch kein Narr, Dieter! Noch ist nichts passiert. Mit Katja werden wir uns schon arrangieren, und auf Wätjen ist Verlaß, wie gesagt. Aber wenn du’s jetzt an die große Glocke hängst…“
Trey ließ sich nicht beirren. „Ich hänge es an die große Glocke! Dir tun fünf Jahre Gefängnis auch mal ganz gut, damit du von deinem hohen Roß runterkommst.“ Er griff sich mit der linken Hand den Telefonhörer, legte ihn auf den Flügel und wollte die erste Eins wählen.
Da stampfte Buth mit dem Fuß auf und schrie: „Halt – das wirst du nicht tun!“
„Das werde ich tun.“
„Das woll’n wir doch mal sehen…“
Buth bewegte sich auf Trey zu, Zentimeter um Zentimeter.
Trey zielte auf seinen Leib. Die Kugel mußte Magen, Milz oder Leber treffen… Anderthalb Meter lagen noch zwischen den beiden Männern.
Buth warf einen schnellen Blick zur Seite, zu Katja hin. „In Deckung – schnell!“
Katja warf sich zur Seite, knallte mit dem Kopf gegen die steinerne Blumenbank und blieb benommen liegen.
Dann fiel der Schuß.
Als Katja endlich auf die Beine kam, hielt Buth die Pistole in der Hand. Trey lag vor ihm auf dem Boden, blutüberströmt. Oberhalb der Nase war nicht viel übriggeblieben von seinem Gesicht.
Mir wird schlecht, dachte Katja. Gleich wird mir schlecht… Sie stürzte aus dem Zimmer, riß zwei falsche Türen auf, verlor die Orientierung, stolperte über einen Schirmständer und stand im Freien.
Regentropfen schlugen ihr ins Gesicht.
Der Wagen. Dreißig Meter bis zum Deich… Aufschließen… Starten…
Ausgeschlossen!
Hinter ihr schlug die Aluminiumtür zu. Der Wind. Ein Hindernis für Buth. Sekunden gewonnen.
Sie hastete den Weg entlang. Ihr Rock war kurz, der hinderte nicht.
Wohin?
Mein Gott, wohin?
Nach oben zur Straße! Kein Mensch… Um diese Zeit… Zum Friedhof – Telefonzelle! Die letzte Chance.
Sie erreichte den geschotterten Fahrweg, der mit mäßiger Steigung zur Straße hinaufführte.
Dreihundert Meter. Vierhundert vielleicht.
52 Sekunden für die Weltklasse auf der Tartanbahn. Aber das ist keine. Und ich bin keine Weltklasse. Ich brauche dreimal so lange… Sie verlor ihre Sandalen. Ohne ging es besser. Wenn Buth sie aus den Augen verlor, konnte er ihre Schritte nicht mehr hören… Folgte er ihr überhaupt?
Ja; gerade lief er um den weißgekalkten Findling mit dem Namensschild herum. Die Pistole in der rechten Hand.
Jetzt, wo er Trey erschossen hatte, mußte er sie ebenfalls… Fahr nicht nach Bramme! Mein Gott, wenn ich bloß in Bramme wäre, in der miesen Pension, statt hier draußen. Es ist so irrsinnig, hier zu sterben… Hier oder woanders – in meinem Alter ist Sterben immer irrsinnig… Corzelius…
Weiter.
Sie hatte einen Vorsprung von gut fünfzig Metern. Ob das reichte, den Hörer abzunehmen, die Groschen einzuwerfen und zu wählen? 110… Sie rannte durch die Dunkelheit. Alle 50 Meter eine Laterne. Sie rannte und rannte, aber in Wirklichkeit stand sie irgendwo auf einem Turm und sah sich durch die Nacht hetzen.
Rechter hand die Lichter von Bramme; fern, am anderen Ende der Welt.
Eine Traumszene war da, die sie öfter erlebte: Sie flog in einer großen Düsenmaschine über eine Waldlichtung hinweg und sah, wie unten ein Mann eine Frau ermordete. Alle sahen es und keiner konnte es verhindern.
Bilder jagten sich, Stimmen zuckten auf. Die Ankunft. Die Pension. Frau Meyerdierks. Alfons Mümmel.
Unser russischer Zwerghase… Komm, Alfons, ich habe Salat – komm, mein Kleiner! Lemmermann und ihr Tanz Moulin Rouge. Ich muß gehen…
Die Telefonzelle. Da vorn, ganz weit.
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