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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Entsetzlich weit noch… Eins-eins-null. Hilfe, Mord, Überfall, Buth, Westfriedhof, schnell … Sie keuchte, ihre Kräfte ließen nach. Oben am Friedhof huschte ein Auto vorbei. Zu weit weg. Wann kam das nächste?
    Er wird mich erschießen, genau wie Trey. Er hat Trey ermordet.
    Die Hälfte der Strecke.
    Er hatte kaum aufgeholt.
    Sie schrie um Hilfe.
    Aber ringsum waren nur die Wiesen.
    Vielleicht…
    Nein.
    Die Großmutter im Hospital. Fahr nicht nach Bramme… Bramme. Lankenau. Da sitzen ja meine jungen Freunde! Corzelius und das Brammer Meer… denken Sie sich dabei, was Sie wollen: Ich mach mir Sorgen um Sie… Kossack und die Briefe. Sie werden vieles nicht verstehen… Trey, die Pistole in der Hand. Ich lasse mir meine Tochter von keinem zur Nutte machen… Wätjen. Der Speer. Der Stein. Das Auto… Sie sah ihren Grabstein in Berlin:
     
    KATJA MARCINIAK
    * 15. 4. 1950 † 24. 6. 1972
    in Bramme
     
    Bramme.
    Verfluchte Stadt!
    Meine Flamme stammt aus Bramme… Deine Flamme stirbt in Bramme, mein Junge.
    Buth blieb hinter ihr, immer im gleichen Abstand. Oder hatte er aufgeholt? Jetzt schrie er etwas…
    „Halt! Bleiben Sie doch stehen!“
    Sie hörte es deutlich. Ja, er hatte also aufgeholt…
    Ihre Lungen schmerzten. Sie hatte einen Geschmack wie Blut im Mund, mußte an Treys Gesicht denken, an das, was davon übrig war; sie spürte Brechreiz… Weiter! Nicht stehen bleiben…
    Sie wollte ihre Tasche wegwerfen. Stört beim Laufen. Nein – das Geld zum Telefonieren…
    Die Telefonzelle, nahe jetzt, sattgelb im Licht der Peitschenleuchten vor dem Friedhof. Und die Bushaltestelle. Aber kein Mensch zu sehen… Sie warf den Kopf herum. Links: die Straße leer. Rechts: die Straße leer.
    Ein Auto. Winken, schreien. Ein Königreich für ein… Aber hier kam bei dem Wetter kein Pferd vorbei. Offensichtlich auch kein Auto im Augenblick. Die Hauptstraße von Bramme nach Uppekamp ging woanders lang.
    Hilfe, Mord, Überfall, Buth, Westfriedhof, schnell!
    Eins-eins-null.
    Sie lief über den Fahrdamm. Asphalt. Regennaß. Sie stolperte, stürzte, raffte sich wieder auf.
    Buth war etwas zurückgeblieben.
    Er ist stehengeblieben, um zu zielen…
    Sie fuhr herum.
    Nein, ein Köter war ihm nachgestürzt und versuchte, ihm in die Hacken zu beißen… Gott sei Dank! Ich schaff mir einen Hund an. Aus dem Tierasyl. Nein. Zehn Hunde… Beiß zu! Faß!
    Eine Chance.
    Eine Galgenfrist.
    Die Umrisse wurden unscharf, die Augen gallertartig; sie nahmen nichts mehr auf. Sie lief auf dem Grund eines tiefen Wasserbeckens. Rote Schlieren zogen durch das Wasser, wurden gelb, bekamen Kontur: Die Telefonzelle.
    Gerettet!
    Wo ist Buth?
    Buth hatte den Köter mit einem Fußtritt abgewehrt. Zu schießen wagte er wohl nicht. Er warf einen Stein nach dem Vieh.
    Katja riß den Hörer vom Haken, ließ ihn herabbaumeln. Sie wühlte nicht lange in ihrer Tasche; sie kippte den ganzen Inhalt aufs Telefonbuch.
    Schnell. Tempo!
    Ein hastiger Blick nach draußen: Der Stein hatte den Hund an der Schnauze getroffen; jaulend zog er sich zurück. Buth hatte freie Bahn.
    Mein Gott…
    Sie hatte nur einen Groschen!
    Drei Zwei-Mark-Stücke. Zwei Fünf-Mark-Stücke. Ein halbes Dutzend Pfennige. Zwei Fünf-Pfennig-Stücke.
    Aber nur ein Groschen.
    Kein zweiter Groschen. Kein Mark-Stück.
    Aus!
    Sekundenlang gab sie auf. Laß alles so kommen, wie es kommt… Sekundenlang genoß sie den Frieden, der dem Augenblick folgt, in dem man sich aufgegeben hat… Dann sah sie Buth herankommen, die Pistole in der Hand.
    Die Tür zuhalten? Die riß er auf. Oder er schoß durchs Glas. Trey hatte er schon ermordet… Ihren Vater.
    Sie wußte alles. Darum mußte sie sterben. Wegen zehn Pfennigen, sozusagen. Damit Buth sein Vermögen behielt, seine Macht, seine Position… Es hing an einem Groschen.
    Sie drückte den Rückgabeknopf – nichts.
    Aber… Na klar! Das Eis!
    Ihr fiel ein, daß in der Tasche ihres blauen Blousons ein Groschen stecken mußte. Das Eis in Worpswede… 90 Pfennige… 10 Pfennige retour, bitte sehr! Da waren sie.
    Alles war blitzschnell gegangen. Buth setzte gerade zum Überqueren der Fahrbahn an… Jetzt kam ein Auto vorüber. Buth verbarg die Pistole unter dem Pullover. Katja riß die Tür auf, schrie, winkte… Der Fahrer bemerkte sie nicht.
    Scheiße!
    Sie steckte den ersten Groschen in den Schlitz. Er fiel durch.
    Mein Gott. Nein!
    Ihre Finger gehorchten ihr nicht mehr, schossen einen Zentimeter am Ziel vorbei. Endlich hatte sie die Münze aus der

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