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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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ihn, und er stellte sich die Frage, warum der Alte nichts sagte. Es waren fast alle anwesend. Sein Schweigen konnte nur bedeuten, daß er sich etwas Wirksameres ausgedacht hatte. Dincklee tat seine eigene Besorgnis mit einem Achselzucken ab.
    »Stell dir vor, ich bewundere dich schon wieder«, flüsterte Irelin, die schräg hinter ihm saß. »Die Leitung erst jetzt zu informieren. Wieso sagt Jeperzon nichts?«
    Dincklee drehte sich halb um. Auch ohne sie direkt anzusehen, bemerkte er ihren spöttisch unernsten Gesichtsausdruck, der ihm zur Situation nicht zu passen schien. »Ich soll ihm die Kastanie aus dem Feuer holen.«
»Was für eine Kastanie?«
    Obwohl er ihr weder die Frage noch ihr Erstaunen glaubte, fand er sie sehr anziehend. Warum eigentlich nicht? fragte er sich. »Ganz einfach«, sagte er. »Es kommt wieder etwas auf uns zu, bei dem man den Feuerwehrmann Dincklee braucht. Man wird es Bewährung nennen und von Selbstdisziplin reden, insgeheim jedoch hoffen, daß ich wieder das tue, was die anderen verlernt haben, nämlich selbständig zu entscheiden.«
»Auf Teufelkomm’raus?« sagte sie.
    »Ganz oder gar nicht«, erwiderte er. »Man muß Prinzipien haben.«
»Ich glaube zwei Dinge«, sagte sie, »du bist arrogant, und du irrst dich.«
»Na schön«, sagte er, »dann eben arrogant. Aber was gilt die Wette, daß ich recht behalten werde.«
Als alle anwesend waren, ließ er die Bildtonkonserve abfahren. Bis auf Jeperzon, der sie bereits am frühen Mo zur Kenntnis genommen hatte, war ihr Inhalt den anderen unbekannt.
Am Ende schwiegen alle. Jonathan nickte ihm zu. Das konnte heißen, das hast du gut gemacht. Dincklee kam es jedoch so vor, als sollte es vor allem anderen Besorgnis ausdrücken. Er nickte beruhigend zurück. Ein wenig mit Mitleid. Er selbst verachtete Ängstlichkeit. Aber er mochte Jonathan.
Aus einem Grund, den er selbst nicht benennen konnte, fragte er sie: »Kennst du ihn?«
»Wir hatten noch nie unmittelbar miteinander zu tun«, antwortete sie. »Er ist mir aber aufgefallen. Er sieht immer ein wenig verträumt aus.«
»Er ist mein Freund«, behauptete er.
»Ach«, sagte sie. Dann musterte sie Dincklee mit einem Interesse, dessen Impuls ihm unklar war. Es beunruhigte ihn lediglich, weil er ahnte, daß er nicht dessen alleiniger Gegenstand war. Wieso war ihr Jonathan aufgefallen?
»Nun«, forderte Jeperzon seine Mannschaft auf.
»Eine seltsame Geschichte«, äußerte jemand im Hintergrund. »Ich denke, sie stimmt auf keinen Fall in allen Punkten, wie sie von Choyteler dargelegt wird.«
»Meine Meinung«, äußerte Jeperzon. »Hält es jemand für wichtig, darüber zu diskutieren, ob wir in Choyteler möglicherweise einen Verrückten oder Verbrecher vor uns haben?«
»Für eventuelle Aktivitäten unserer Basis hätte die Unterscheidung kaum Konsequenzen«, bemerkte dieselbe Stimme von hinten.
»Was für Aktivitäten?« Dincklee fuhr auf. »Er hat darum ersucht, erst beim Einschwenken in die Umlaufbahn…«
»Natürlich Aktivitäten«, unterbrach Jeperzon ihn. »Was denn sonst? Däumchendrehen? Ich habe bereits heute morgen Rücksprache mit der Erde gehalten. Wir warten auf keinen Fall so lange.«
»Warum diskutieren wir überhaupt«, warf Dincklee ein, »wenn bereits alles entschieden ist.«
Irelin meldete sich zu Wort. »Ich weiß nicht, ihr tut so, als wäre bereits klar, daß es sich um einen Irren oder einen Verbrecher handelt. Schnellstes Eingreifen wäre in meinen Augen nur sinnvoll, wenn es etwas zu verhindern gälte. Was wollen wir denn nach fünfundvierzig Jahren noch verhindern?«
»Sie hat recht«, unterstützte Jonathan ihren Einwand. »Wir sollten uns hüten, Porzellan zu zerschlagen.«
»Eure karitativen Vorstellungen in Ehren«, sagte Jeperzon, »aber es gibt eigentlich nur noch eine Frage zu klären: Wer fliegt?« Er sah Dincklee an.
»Ich weigere mich«, sagte Dincklee spontan. »Ich respektiere Choytelers Wunsch.«
»Das war von Ihnen zu erwarten«, sagte Jeperzon.
Am Ende jeglicher Beherrschung sprang Dincklee auf. Die Gesichter wandten sich ihm zu. Mienen bildeten ein glattes Meer um ihn. Überzeugung sollte Feindseligkeit verdecken. In den Augenwinkeln steckte Angst.
»Dincklee«, flüsterte hinter ihm Irelin.
»Ich bitte den Zivilleutnant Dincklee, sich zu disziplinieren«, sagte Jeperzon.
Eine grobe Entschuldigung ausstoßend, verließ Dincklee den Raum.
Nach ihm trat noch jemand auf den Gang hinaus. »Nimm mich mit«, sagte Irelin.
»Davon kann gar keine Rede sein«,

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