Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
Befehlsverweigerung
beharren«, sagte Jeperzon. »Die Instruktionen für das
Unternehmen sind nicht mißzuverstehen. Sie wurden mit der
Erde erarbeitet. Sie haben nichts weiter zu tun, als hinzufliegen und die Lage zu analysieren. Sie greifen in keiner Weise aktiv ein, es sei denn, die Bestimmungen zur Gewährleistung des Überlebens erfordern es. Noch einmal, Sie haben herauszubekommen, was sich dort wirklich abgespielt hat, nichts weiter. Gehen Sie von Anfang an taktvoll vor. Es könnte sein, daß sich Differenzen zu der uns bekannten Darstellung
ergeben.«
Noch am gleichen Tage vollzog sich ohne Aufhebens der
Start. Sie benutzten einen der schnellen, kleinen Transporter,
die speziell für den Einsatz in der Nähe der großen Planeten
ausgerüstet waren. Die Triebwerke besaßen eine enorme
Leistung.
Von der Beschleunigung war im Innern nicht mehr zu
bemerken als die Verdichtung der Feldlinien auf dem
Schwerkraftdiagramm. Von dort glühten rote Wellen, die zum
Rand des Schirms hin in Orange verblaßten. Dieses Licht
verflachte alle Konturen und schuf die Einbildung einer
merkwürdigen Nähe.
Irelin stand neben ihm am Steuerpult. Sie schien aufgeregt zu
sein. Ihre Konzentration erschien ihm übertrieben. Er hätte ihr
die eine oder andere Funktion abnehmen können, aber ein
Gefühl hielt ihn davon ab. Wahrscheinlich wollte sie den Start
allein bewältigen. Sie sollte an dem Auftrag gleichberechtigt
beteiligt sein. Das schien ihm der beste Weg zu sein, sie in der
kurzen Zeit so gut wie möglich kennenzulernen.
»Hat mich Jeperzon vorgeschlagen?« fragte sie.
»Nein«, antwortete Dincklee. »Das war ich.«
»Warum hast du nicht Jonathan genommen?«
»Er wartet darauf, daß ihm eine Chance in den Schoß fällt.« »Ich auch.«
»Du nicht«, widersprach er. »Du nimmst sie dir.«
»Weshalb hast du mich genommen?«
Er grinste. »Ich mag beherzte Frauen.«
»Ich weiß nicht, ob das stimmt«, sagte sie. »Wahrscheinlich
lügst du. Du willst Erfolg haben. Dabei kannst du niemanden
gebrauchen, der schwach und unsicher ist. Ich dachte, Jo wäre
dein Freund. Ein Mensch wie du braucht einen solchen
Freund.«
»Ach nee«, sagte er. »Kannst du mir vielleicht auch sagen,
was ein Mensch wie ich für eine Frau braucht?«
»Eine Frau wie mich.«
»Für diesen Auftrag«, sagte er hart, »muß man mehr wollen,
als Jo zu ersetzen.«
Ihr Blick streifte ihn. »Ich weiß nicht, ob ich das will.« Sie
sah wieder nach vorn, obwohl der Startvorgang beendet und
ihre Aufmerksamkeit nicht mehr erforderlich war. »Du bist ein
Wolf«, sagte sie, »ein Einzelgänger. Du setzt dein Leben ein.
Aber niemals dich selbst.«
Ihr Gesichtsausdruck verwirrte ihn. Er schien ihm etwas
mitteilen zu wollen. Aber als er verstand, war ihre Miene
wieder wie immer. Hatte er sich getäuscht? Den ganzen Rest
des Tages beobachtete er ihr Gesicht. Ein- oder zweimal
bemerkte sie es, und sie lächelten sich an. Dieses Lächeln
erschien ihm wie eine heimliche Übereinkunft. Jedoch abends,
er lag schon im Bett und las, kam sie in seine Kabine und
sagte: »Ich habe es mir überlegt, ich mag keine Wölfe. Wenn,
dann wollte ich nicht dein Leben, sondern dich. Gute Nacht,
mein Lieber.«
Am Morgen während des Frühstücks musterten sie sich, bis
ihre Blicke angenehm ermüdeten. Unwahr kam es ihm vor, daß
er dieses Gesicht nicht geliebkost, diesen Körper nicht umarmt
haben sollte. Sie aber schien stolz zu sein auf ihren Entschluß
und auf ihre Einsamkeit.
Für die nächsten Stunden erforderte das Anflugmanöver an
den »Messenger« ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Während
des ganzen Fluges hatte sich Choyteler nicht noch einmal gemeldet. Auch jetzt nahm er keinen Kontakt mit ihnen auf.
Ihre Anrufe ließ er unbeantwortet.
Durch sein Schweigen beunruhigt, legten sie schneller als
gewöhnlich die Schutzanzüge an und eilten zur Schleuse. In
Sekundenschnelle entleerten die Pumpen den Raum. Das
Außenschott fuhr hoch und gab den Blick frei auf die
Oberfläche des Gespensterschiffes. Die Zeit hatte sichtbare
Spuren hinterlassen. Spröde und rauh, übersät von zahllosen
Zernarbungen, wölbte sich der Panzer vor ihnen auf. Die Magnetkupplung als Steg benutzend, setzten sie ihren
Fuß in die Historie wie in ein fremdes Land. Scheu, als könnte
die Außenhaut unter ihren Tritten bersten, schritten sie darüber
hin.
Etwa in der Mitte des Raumschiffkörpers entdeckten sie eine
offenstehende Schleuse. Sie traten ein. Augenscheinlich
automatisch schloß sich das Schott hinter ihnen,

Weitere Kostenlose Bücher